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Wer sich nicht wehrt, hört verkehrt

Nervender Lärm muss nicht stumm geduldet werden. Man kann etwas dagegen unternehmen

An das Läuten der benachbarten Kirchenglocken muss man sich wohl oder übel gewöhnen. Auch gegenüber den Maßnahmen zur Schnee- und Glättebeseitigung in aller Frühe ist das Ruhebedürfnis der Anwohner nachrangig. Das gilt ebenso für Notfalleinsätze sowie unter bestimmten Voraussetzungen sogar nachts für den Verkehrswegebau: Die Berliner Lärmverordnung lässt in all diesen Fällen ausdrücklich zu, dass die Hauptstädter vom Radau belästigt werden können.

Ansonsten jedoch muss, wer Krach machen will, auch in einer Großstadt wie Berlin Ruhezeiten einhalten – trotz des vielerorts vorhandenen unterschwelligen Dauergeräuschpegels.

Die Lärmverordnung sieht den Schutz der Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr vor, dazu Ruhezeiten werktags von 6 bis 7 Uhr sowie von 20 bis 22 Uhr. An Sonn- und Feiertagen ist es vollends verboten, Krach zu machen, durch den andere „in ihrer Ruhe objektiv unzumutbar gestört werden können“ (§ 2, LärmVO).

Verstöße gegen die Lärmverordnung muss man nicht klaglos hinnehmen. Ist der Nachbar der Ruhestörer, so bietet sich zunächst ein vermittelndes Gespräch an. Zeigt er sich uneinsichtig und bringt auch die Intervention beim Vermieter nichts, kann man sich an die Polizei oder an die Ordnungsbehörden im jeweiligen Bezirksamt wenden und massive Ruhestörungen anzeigen. Oft wird der Anzeigeerstatter dort auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Wer sich jedoch mit dem Gedanken an eine derartige Klage trägt, sollte zunächst fachkundigen Rat einholen. Den bieten beispielsweise die Gesellschaft für Lärmbekämpfung, der Deutsche Arbeitsring für Lärmbekämpfung oder die Mietervereine.

Wer sich gegen Lärm im Haus wehren will, muss beweisen, dass die Störung erheblich ist. Ist man massiven Lärmstörungen ausgesetzt, sollten „vorsorglich Beweismittel zusammengetragen werden“, empfiehlt die Gesellschaft für Lärmbekämpfung. Dazu gehöre es, zu jeder Lärmstörung Datum, Uhrzeit und Zeugen zu notieren, wobei auch Familienangehörige genannt werden können. Tonbandaufnahmen indes hätten vor Gericht keinen großen Beweiswert, da sie manipulierbar seien. Detlef Bramigk von der Gesellschaft für Lärmbekämpfung warnt auch davor, selbst aufwändige Gutachten erstellen zu lassen. Nur im amtlichen Auftrag erstellte Gutachten hätten vor Gericht letztlich Aussagewert.

Doch nicht nur laute Musik, brüllende und Türen schlagende Nachbarn zehren an den Nerven. Störender Bau- sowie Industrie- und Gewerbelärm zur Unzeit sind Fälle für die bezirklichen Bau- beziehungsweise Gewerbeaufsichtsämter, die über die Einhaltung der entsprechenden Verwaltungsvorschriften und Richtwerte wachen.

Die den Bezirksämtern unterstellten Umweltämter sind zuständig, wenn gutes Zureden bei Nachbarn oder Vermietern nicht fruchtet und es in Mietshäusern zu wiederholter Lärmbelästigung durch die Nachbarn kommt. Doch auch der Betrieb – und der damit oft verbundene Lärm – von Biergärten ist ein Fall für das Umweltamt. Übrigens: Dass man in Berlin einmal pro Jahr folgenlos eine lautstarke Party in seiner Wohnung feiern darf, ist ein Gerücht.

Lässt sich Radau in unmittelbarer Nachbarschaft meist ausräumen, ist der Lärm durch den Straßenverkehr nur schwer abzustellen. Deshalb wurde vom Umweltbundesamt die „Aktion Straßenlärm“ ins Leben gerufen. Mittels eines Gutachtens kann der Geplagte erfahren, ob er gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt ist – und welche – insbesondere rechtlichen – Möglichkeiten es gibt, ihn zu verringern. Die Stiftung Warentest bietet dazu einen Fragenkatalog, den man auswerten lassen kann (Kosten: 47 Euro). KAJA

„Lärmfibel. Selbsthilfe bei Lärmbeschwerden“. Gesellschaft für Lärmbekämpfung e.V. (Hrsg.), Kaiserdamm 80, 14057 Berlin, gegen Einsendung von 3 € in Briefmarken. Gutachten: Download des Erhebungsbogens unter www.stiftung-warentest.de, Tel.: 26 31-0. Deutscher Arbeitsring für Lärmbekämpfung: www.dalaerm.de.

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