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Weniger Aufwand – weniger Kontrolle

Dieter Vesper, Haushaltsexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, hält einen Doppelhaushalt für sinnvoll, aber nicht unproblematisch. Sarrazzin spare sich damit auch die parlamentarische Überprüfung des Budgets

taz: Herr Vesper, wann kommt es zu einem Doppelhaushalt?

Dieter Vesper: Wenn die Politker wie jetzt in Berlin unter Zeitdruck geraten. Durch die späte Regierungsbildung gibt es für 2002 immer noch keinen Haushalt. Würde man normal weiterplanen, würde das höchstwahrscheinlich auch den Haushalt 2003 verzögern. Also kalkuliert man für zwei Jahre und spart sich eine Menge Arbeit. Die Aufstellung und Beratung eines Haushaltes ist ja eine aufwendige Prozedur. Das erschwert aber die parlamentarische Kontrolle der Haushaltsführung.

Weil man sich auch eine Haushaltsdebatte spart?

Ja. Denn das Budgetrecht gilt als das vornehmste Recht eines Parlaments. Und traditionell nutzen die Oppositionsparteien die alljährlichen Haushaltsdebatten immer für eine Generalabrechnung mit der Regierungskoalition. Ein Doppelhaushalt ist da weniger transparent, erst 2004 käme es wieder zu öffentlichen Debatten und detaillierter Kritik.

Ließe sich der Haushalt für 2003 jetzt schon planen?

Das ist durchaus machbar. Aber die Grundlagen, auf denen Einnahmen und Ausgaben basieren, sind derzeit natürlich unsicherer als in acht Monaten. Wie wird sich die Wirtschaft entwickeln? Was passiert mit dem Steueraufkommen? Das lässt sich schwer abschätzen. Ich halte einen Nachtragshaushalt im nächsten Jahr für wahrscheinlich.

Damit wäre der Doppelhaushalt also überflüssig?

Nein, es müsste ja voraussichtlich nicht auf breiter Front nachgebessert werden. Wenn aber – wie im Doppelhaushalt 1994/95 – die Einnahmen wegbrechen, passieren zwei Dinge. Erstens wird der Kreditrahmen, den man jetzt wählt, 2003 nicht mehr ausreichen. Das Parlament müsste also eine höhere Neuverschuldung bewilligen. Oder man müsste mit weiteren Sparmaßnahmen reagieren. Die wären aber im alten Doppelhaushalt gar nicht vorgesehen und müssten ebenfalls vom Parlament gebilligt werden.

Finanzsenator Sarrazin (SPD) will den neuen Haushalt schon am 19. März vom Senat absegnen lassen. Halten Sie das für realistisch?

Der Termin ist ehrgeizig, aber machbar. Sollte es in der Koalition zu Streit über Grundsatzfragen wie die Zukunft des Uniklinikums Benjamin Franklin kommen, dann ist der Zeitplan nicht zu halten. Grundsätzlich sollte man sich aufgrund der unsicheren Prognosen mit dem Doppelhaushalt nicht zu sehr unter Zeitdruck setzen.

INTERVIEW: THILO KUNZEMANN

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