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Die drei Leben des E.O.

Eine Ausstellung im Altonaer Museum widmet sich dem „Vater und Sohn“-Zeichner e. o. plauen  ■ Von Kai-Uwe Scholz

Vater und Sohn – eine Urkonstellation, die sich seit Abraham und Isaak in tausenderlei Gestalt durch die Kunst- und Literaturgeschichte zieht. Für die kleinen Abenteuer des Alltags und Streiche, die ein solches Gespann aushecken kann, sind die Bildgeschichten von Erich Ohser alias e. o. plauen beinahe schon prototypisch. Jeder kennt die gezeichneten Short-Stories aus den 30er Jahren – nicht zuletzt wegen des damals schon einsetzenden Merchandising. Die verschmitzten Mondgesichter gab und gibt es als Aufziehpuppen und Marionetten, auf Apfelsinen-Einwickelpapier, Tassen, Tüten und Zigaretten-Reklame.

Doch über der enormen Popularität dieser Figuren wurde fast vergessen, dass sich der Zeichner zugleich durch ein künstlerisch hochzielendes Früh- und ein politisch höchst bedenkliches Spätwerk auszeichnet. Eine vom Wilhelm-Busch-Museum Hannover erarbeitete Ausstellung macht nun im Altonaer Museum Station und dokumentiert Leben und Schaffen des Künstlers erstmals in aller Breite.

Ohser wurde 1903 als Sohn eines Zollbeamten im sächsischen Vogtland an der Grenze zu Böhmen geboren, wuchs in Plauen auf und durchlief dort eine Schlosserlehre. Statt sich wie geplant zum Kunstschlosser weiterzubilden, folgte er seiner zeichnerischen Begabung. Ab 1920 besuchte er die Leipziger Kunstkademie, wo er einen expressionistisch beeinflussten Stil entwickelte. Erste Arbeiten konnte er durch Vermittlung des Redakteurs Erich Knauff im Blatt seiner Heimatstadt unterbringen, in der Plauener Volkszeitung, für die auch Erich Kästner schrieb. Die drei Erichs entwickelten sich bald zum Trio; Ende der 20er Jahre waren sie allesamt in die Metropole Berlin umgezogen, wo 1931 Ohsers Sohn Christian geboren wurde. Mit Kästner reiste der Künstler nach Paris, Moskau und Leningrad und illustrierte dessen Gedichtband Herz auf Taille. Wiederum durch Knauff vermittelt, zeichnete Ohser Karikaturen für die SPD-Zeitung Vorwärts, in denen er den heraufziehenden Nationalsozialismus aufs Korn nahm.

Das sollte ihm 1933 fast das Genick brechen: Wegen seines „marxistischen Engagements“ wird er nicht in die Reichspressekammer aufgenommen, was einem Berufsverbot gleichkommt. Unter dem Pseudonym e. o. plauen (eine Hommage an seine Heimatstadt) darf er jedoch „unpolitische“ Zeichnungen veröffentlichen. Und Glück im Unglück: 1934 sucht die Berliner Illustrirte eine neue Folge von Bildgeschichten. Unter den Vorschlägen von 32 Zeichnern findet Ohsers Vater und Sohn-Serie spontane Zustimmung. Noch im Dezember 1934 erscheint die erste Panel-Folge. Drei Jahre lang liefert Ohser Woche für Woche eine Geschichte. Das Publikum ist begeis-tert, obwohl oder gerade weil die Helden keineswegs NS-Idealen entsprechen: keine intakte Familie (es fehlt eine Mutter), kein blonder, kraftstrotzender Vater, kein folgsamer, HJ-tauglicher Sohn. Auch in Buchform findet das reißenden Absatz.

Ohser geht es besser als je zuvor: Er kann sich einen Wagen und eine Wohnung im gutbürgerlichen Wilmersdorf leisten. Durch seine Popularität ist er relativ geschützt. Doch 1937 läuft die Vater und Sohn-Serie aus. Ohser muss die Nische der „Inneren Emigration“ verlassen, schlägt sich eine Weile mit Witzzeichnungen durch und wagt sich schließlich in die Höhle des Löwen. Ab 1940 arbeitet er als Karikaturist für Goebbels Renommierblatt Das Reich. Seine gegen die alliierten Kriegsgegner gerichteten klischeeträchtigen Arbeiten mit aggressivem Strich mag er als Dienst am Vaterland empfunden haben; als Handlanger der Nazis sah er sich offenbar nicht. Und war seine Existenz auch finanziell gesichert – politisch wog er sich in falscher Sicherheit und wagte sich mit regimekritischen Äußerungen zu weit vor. Himmler halte sich „nur“ durch täglich 80 bis 100 Hinrichtungen, und Goebbels sei ein „Lausejunge“, der die „Künstler“ durch idiotische Verfügungen so gedrosselt und vergrämt habe, dass die Kunst hierzulande „vor die Hunde gegangen sei“, ruft der Schwerhörige im Gespräch mit Erich Knauff überlaut durch die Räume.

Von seinem Nachbarn, einem fanatischen Nazi, denunziert, werden die zwei sofort verhaftet. Ironie des Schicksals: Dem Zeichner, der die militärischen Gegner in seinen Karikaturen mit ätzender Häme überzog, soll nun wegen „Wehrkraftzersetzung und landesverräterischer Feindbegünstigung“ vor Freislers Volksgerichtshof der Prozess gemacht werden. Das sichere Todesurteil vor Augen, bringt sich Ohser in der Nacht vor der Verhandlung am 6. April 1944 um. Sein Freund Erich Knauff wird am 2. Mai gehenkt. Ohsers Sohn Christian jedoch hat das vielgestaltige Werk seines Vaters bewahrt, das nun mit seinen Brüchen und Widersprüchen zu sehen ist.

Di–So 10–18 Uhr, Altonaer Museum; bis 17.3.; Katalog 29,90 Euro

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