: Absolut überflüssig
Tobias Schlegls neue Sendung auf Pro7 ist nicht nur keine Talkshow, sondern kann sich auch sonst für nichts richtig entscheiden. Er selbst wirkt zwischen Hundebesitzern und unlustigen Einspielfilmen wie ein Konfirmand, der sich als Moderator versucht
von JAN FUHRHOP
In unserer Straße gab es früher einen Kaufmannsladen. Zu dem habe ich immer mein gesamtes Taschengeld getragen, um mir Wundertüten zu kaufen. Außen waren bunte Bilder von Astronauten und Teddybären drauf. Drin war immer Schund. Trotzdem habe ich mir nächste Woche wieder eine Tüte gekauft – als Kind vergisst man schnell.
Jetzt bin ich erwachsen und mein Gedächtnis ist besser. Ich werde mir merken, dass „Absolut Schlegl“ nicht hält, was es versprach. Gast- und Namensgeber Tobi Schlegl moderierte bei Viva eine ab und zu unterhaltsame Sendung namens „Schlegl, übernehmen sie!“, ehe er dem Lockruf des Geldes zu Pro7 folgte. Dort war nach dem Ende von Andreas Türck ein Nachmittagssendeplatz frei geworden, und der Kirch-Sender plante zusammen mit dem 24-Jährigen eine bunte Wundertüte. Etwas ganz Neues sollte es werden, eine „Personality Show“ mit Talkshow-Gästen, schauen Aktionen im Studio und lustigen Einspielfilmen. Seit zwei Wochen läuft montags bis freitags um 15 Uhr „Absolut Schlegl“ – wie angedroht mit Talkshow-Gästen, überflüssigen Aktionen im Studio und komplett unlustigen Einspielfilmen (Kür der Miss Fußgängerzone).
Bei der ersten Sendung, Thema „Absolut Luxus“, wirkte Schlegl zwischen seinen Gästen (durchgeknallte Hundebesitzerin mit 15.000-Euro-Ring für sich und 1.000-Euro-Mantel für den Hund, verwöhnte 24-Jährige mit Wohnsitz Monaco) wie ein Konfirmand, der am Abschlussabend einer Jugendfreizeit den Moderator spielt. Um sich von einer Talkshow zu unterscheiden, bemüht man sich immer wieder, vom belanglosen Sofagelaber über Schönheit, Geilheit, Geldgier abzulenken. Also hat Schlegl ein bisschen bei Kollegen wie Stefan Raab abgekupfert und mit der Kamera kurze Filme gedreht, die dem pflichtbewusst johlenden Studiopublikum gezeigt wurden. Wo Raab aber albern und schadenfroh ist, weiß Schlegl nichts mit sich anzufangen, und hastet von den humorfreien Filmen schnell weiter zum nächsten „neuen Element“: Ein Gast wird in die „Lounge“ geführt und muss eine am Glücksrad ausgewählte Frage beantworten. In zehn verkrampften Sekunden berichtet Miss Belgien vom ersten Sex. Applaus. Gejohle. Danke, zurück zum Sofa, nächster Gast.
Und die Quoten? Am ersten Tag hatte Schlegl einen mittelmäßigen Marktanteil von 14 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen, seitdem schwankt er zwischen 12 und 9,5 Prozent. Pro7-Sprecherin Diana Schardt spricht von einer “Ausprobierphase“ die noch ein bisschen andauern soll. Quotenvorgaben habe es nicht gegeben, aber „besser werden kann man sicherlich noch.“ Muss man wohl auch, wenn Schlegls Gastspiel länger dauern soll. Vielleicht sind Quoten wie bei der zeitgleich auf Sat 1 richtenden Übermutter des TV-Rechtsstaats Barbara Salesch (jeden Tag über 25 Prozent) ohnehin utopisch. Doch irgendwann müssen sich Tobias Schlegl und Pro7 entscheiden, was für eine Show sie eigentlich machen wollen.
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