: Kronprinz festigt Thron
Ein Schweizer erklimmt den wichtigsten Posten in der deutschen Wirtschaft: Im Mai löst Josef Ackermann Rolf E. Breuer an der Spitze der Deutschen Bank ab – und baut diese erst mal um
von HERMANNUS PFEIFFER
Eigentlich blickt der Arztsohn Josef Ackermann auf einen gewöhnlichen Banker-Lebenslauf zurück. Aber zwei Besonderheiten haben den charmanten Lächler gegenüber anderen Kandidaten für die Nachfolge von Deutsche-Bank-Chef Rolf E. Breuer ausgezeichnet: Ackermann ist Ausländer, und er ist Investmentbanker. Ab Mai 2002 wird er so an der Spitze des größten deutschen Geldinstituts stehen. Schon jetzt bastelt er an einer neuen Führungsstruktur, über die der Aufsichtsrat gestern nach Redaktionsschluss noch beriet.
Bereits mit 33 Jahren stieg der bekennende Klavierspieler Ackermann zum Leiter des Zahlungsverkehrs der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) auf. In New York betreute er das Geschäft mit Firmenkunden, bevor er 1993 Präsident der Generaldirektion wurde. Bis dahin hatte er Fusionserfahrungen gesammelt: Die SKA kaufte mit unstillbarem Appetit Banken auf.
Der in Credit Suisse (CS) umbenannten Schweizer Großbank drohten Mitte der Neunzigerjahre die gleichen Probleme wie heute der Deutschen Bank: Dem rasanten Wachstum mangelt es an interner Qualität. Gemessen an der Konkurrenz beschäftige man zu viel Personal, seien die Gewinne zu klein, so Ackermann. So wurde „restrukturiert“: eine Filiale nach der anderen geschlossen, der Schwerpunkt auf lukrative Felder wie das Investmentbanking verlagert und Arbeitsplätze gestrichen.
Ackermann kümmerte sich dabei um das US-amerikanische Tochterunternehmens CS First Boston. Ob er sich die Restrukturierung der Investmentbank an die Brust heften darf oder dabei schwächelte, darüber streiten sich Beobachter noch heute. Nach „strategischen Differenzen“ mit dem eigentlichen Herrscher des Geldgiganten, Rainer E. Gut, trat er zurück.
1996 wechselte Ackermann in den Vorstand der Deutschen Bank. Seither gilt er als Kronprinz. Vorbild des 53-jährigen ist Alfred Herrhausen. Der intellektuelle Chef der Deutschen Bank, der 1989 ermordet wurde, verweigerte sich dem Klischee des manisch geldfixierten Bankiers. Auch Ackermann scheint dem Shareholder-Value skeptisch zu begegnen. „Ich bin kein Anhänger einer unkontrollierten Allokation von Kapital“, sagt er. Die Dynamik von Geld und Kapital benötige eine gesellschaftliche Unterfütterung.
In Frankfurt ist man jedoch skeptisch. „Ob die Berufung gut ist, muss sich noch zeigen.“ Umstritten ist sein Plan, die kollegiale Führungsstruktur aufzubrechen und sich als allmächtiger CEO allein an die Spitze der Deutschen Bank zu setzen. Umstritten ist auch seine Absicht, das Investmentgeschäft stärker nach London zu verlagern.
Alles in allem gilt Ackermann als „unbeschriebenes Blatt mit Vorschusslorbeeren“. Die hatte einst auch Breuer eingeheimst, als er an die Spitze berufen wurde. Auch ihn umwehte der globale Flair des Investmentbankers – der vermeintlichen Zukunftsbranche schlechthin. Im Rückblick wird an ihm jedoch hauptsächlich eine geplatzte Fusion haften bleiben. Die vor zwei Jahren kläglich gescheiterte Übernahme der Dresdner Bank ist vielleicht das größte Desaster in der über 125-jährigen Firmengeschichte. Mitverantwortlich dafür ist auch Ackermann: Zwar gilt in der Bank nicht mehr das strikte Konsensprinzip früherer Zeiten, aber der unglückliche Fusionsplan wurde damals im Vorstand gemeinsam gefasst.
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