piwik no script img

Milošević rüstet zum Kampf

UNO-Tribunal kann sich erneut nicht über Verfahrensfragen für Prozess einigen

BERLIN taz ■ Das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag beriet gestern, ob der ehemalige jugoslawische Staatschef Slobodan Milošević in einem Mammutprozess oder in zwei getrennten Verfahren wegen Völkermordes an Kroaten, Bosniern und Albanern angeklagt werden soll. Doch einig wurden sich Richter und Ankläger bei dieser erneuten Anhörung auch diesmal nicht. Ohne Nennung eines neuen Termins wurde die Sitzung vertagt. Das gibt Gerüchten über interne Spannungen beim Tribunal, wie mit den 66 gegen Milošević anhängigen Einzelklagen umgegangen werden soll, neue Nahrung. Vor allem der Vorwurf des Völkermordes scheint kein leichtes Unterfangen zu werden.

Auch Milošević gab bei der Anhörung einen Vorgeschmack davon, was auf das Tribunal beim Prozess zukommen wird, der am 12. Februar beginnen soll. In seinem ersten, langen Statement gab sich Milošević kämpferisch. „Wenn man drei Lügen zusammenzählt, wird noch keine Wahrheit daraus, eher eine noch größere Lüge“, rief er den Anklägern zu, um danach erstaunliche Details preiszugeben. Erstmals berichtete er darüber, was westliche Politiker ihm gegenüber während der Kriegswirren ausgeplaudert, welche Erkenntnisse westliche Geheimdienste angeblich über die „Vertreibungspläne der Kroaten und Kosovoalbaner“ gesammelt hätten. Sollte auch nur ein Teil der Ausführungen wahr sein, das Tribunal hätte es schwer, ihm die Hauptschuld am Aggressionskrieg Belgrads gegen die abtrünnigen Republiken anzulasten und ihn der Absicht des Völkermordes zu überführen. Zu guter Letzt erklärte Milošević: „Werte Herren Richter, lassen Sie mich frei, ich bin auf jeden Gerichtstermin vorbereitet und werde vorbeischauen, weil ich diesen Kampf nicht verpassen will.“ ROLAND HOFWILER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen