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zwischen den rillenKolumbien rockt: Shakira und Juanes

Manche mögen’s weiß

Selbst Schriftsteller geraten manchmal ins Stammeln. „Niemand kann so singen und tanzen wie sie, egal welchen Alters“, schwärmt ihr Landsmann Gabriel García Márquez fast besinnungslos. „Sie besitzt eine solch unschuldige Sinnlichkeit – eine Sinnlichkeit, die von ihr selbst erfunden zu sein scheint.“

Seine Eloge gilt der Sängerin Shakira, nach Márquez selbst prominenteste Kulturbotschafterin seines Landes. Als Superstar, der schon in ganz Südamerika Platinauszeichnungen gesammelt hat, zählt sie zur ersten Popgarde des Kontinents, ihre Popularität reicht bis nach Spanien und in die Latinogemeinden der USA. Neuerdings nehmen dort auch die anglos Notiz von ihr. Denn mit ihrem ersten englischsprachigen Album „Laundry Service“ hat Shakira den Schritt ins internationale Geschäft gemacht und ist aus der Rotation von MTV Latino ins US-Programm des Musiksenders gewechselt.

Zu Hause gilt die 24-Jährige mit der blondierten Löwenmähne als Kolumbiens Antwort auf Alanis Morissette. Doch ihre Songs verhandeln nicht weibliche teenage angst. Um Selbstbehauptung in der Liebe geht es in Shakiras Songs. Die offensive Sexualität, die sie zur Schau trägt, wird durch ironische Gesten der Unterwerfung gebrochen. In „Underneath Your Clothes“ erklärt sie fordernd: „Unter deiner Kleidung, das ist mein Territorium“, während sie in „Wherever, Whenever“ ankündigt, sie „würde ganz allein die Anden erklimmen, nur um die Sommersprossen auf deinem Körper zählen zu dürfen“. Andererseits gesteht sie auf „The One“ ihrem Liebhaber zu, sich für ihn die Beine rasieren und sogar ihre Küchenphobie überwinden zu wollen.

In Lateinamerika steht Shakira für einen neuen, selbstbewussten Frauentyp, und kleine Mädchen in ganz Kolumbien eifern ihr nach, zumindest mit Tanzschritten vor dem Spiegel. Im Ausland allerdings gilt ein kolumbianischer Rockstar, ein weiblicher dazu, allenfalls als Kuriosum. Wie bei den meisten Latin Stars wird der erotische Mehrwert goutiert, der Rest aber nicht so recht ernst genommen. Von den Zottelbärten des deutschen Rolling Stone jedenfalls wurde Shakira schon altväterlich abqualifiziert mit der Empfehlung, man solle sich lieber nur ihre Videos ansehen. Ohne Ton.

Natürlich: Die Musik ist nahe am US-Rock gebaut – konventionell, aber mit ein paar exotischen Einsprengseln. Der Witz ist, dass nichts spezifisch Kolumbianisches darunter ist, die kleinen Folklorezitate kommen von anderswo. So eröffnet das Album mit Tangoklängen, bevor es losrockt, und „Wherever, Whenever“ ist mit Panflötenornamenten verziert. Auf „Eyes Like Yours“, einer arabischen Popfantasie, klingt eine orientalische Oud-Laute an – den Bezug zu dieser Region verdankt Shakira ihrem libanesischen Vater, was auch die angedeuteten Bauchtanzbewegungen in ihrem Musikvideo erklärt.

Wie schon ihr letztes spanisches Album „Donde Están Los Ladrones?“ – zu Deutsch: „Wo sind die Diebe?“ – wurde auch „Laundry Service“, das USA-Debüt, von Emilio Estefan, dem Ehemann von Gloria Estefan, produziert, der schon längst so etwas wie der Pate des Latin Pop geworden ist: An ihm führt kein Weg vorbei, wenn man aus dem Süden an die Spitze der US-Charts will. Dass der Estefan-Clan, die Königsfamilie der Castro-Gegner in Miami, mal wieder seine Finger im Spiel hat, wird bei manchen für Zähnenknirschen sorgen. Doch dem Album hat es genützt: Es hat mächtig Druck.

Wer dachte, die Latin-Pop-Welle würde bald verebben, wird durch Shakira eines besseren belehrt. Dass es bei ihr nun Rockklänge sind, mit denen der Crossover zum Norden gelingt, ist allerdings kein Zufall. Schließlich ist es Rock, die Musik der kaufkräftigen weißen Mittelschichten, der auf MTV Latino regiert, sicher nicht HipHop oder irgendein anderer Sound der Slums. Manche mögen’s weiß – das gilt auch in Südamerika für den Stellenwert der Musikstile.

Ein weiteres Beispiel für den derzeitigen Konsenssound des Kontinents bietet das Album „Fijate Bien“ – zu Deutsch: „Schau genau hin“ – des jungen Kolumbianers Juanes. Als Sänger der Rockband Ekhymosis hat er sich bereits einen Namen gemacht, und auch sein Solodebüt lohnt genaueres Hinhören. In Los Angeles aufgenommen, entspricht es dem Standard, wobei sich doch Staubreste kolumbianischer Folklore finden: So tauchen Anklänge auf an Salsa und Vallenato, die akkordeongepumpte Volksmusik des ländlichen Kolumbiens und Lieblingsmusik der Drogenbarone. Schon wurde „Fijate Bien“ als „Bestes Rockalbum“ mit diversen Latin Grammys dekoriert – ein Indiz, dass es sich bei Juanes nicht um just another pretty face handelt. Gut aussehen tut er natürlich auch. Doch bis sich eine Literatin von Welt findet, die ähnliche Fan-Oden auf ihn singt wie García Márquez auf Shakira, muss wohl noch etwas Wasser die Anden hinunterfließen. DANIEL BAX

Shakira: „Laundry Service“ (Sony/Epic). Juanes: „Fijate Bien“ (Universal/UMIS)

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