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Anti-Terror-Freundschaft auf schwankendem Boden

Die Staaten, die für die USA die Inkarnation des Bösen sind, zählen zu Russlands Freunden. In Moskau wächst der Ärger über den neuen Partner

Im Oktober schlossen Russland und Iran Rüstungsverträge für die nächsten Jahre ab

MOSKAU taz ■ Die viel gelobte neue Freundschaft zwischen Amerika und Russland, die nach den Terrorangriffen vom 11. September vergangenen Jahres geschlossen worden war, löst sich langsam aber sicher in Luft auf.

Mit dem Nachlassen der Angriffe auf Afghanistan ist Russland nicht mehr ein unverzichtbarer Helfer im Kampf gegen den Terror, sondern droht zu einem Hemmschuh zu werden: Will Washington seine Strafaktionen auf Länder wie Irak, Iran oder Nordkorea ausweiten, wie dies US-Präsident George W. Bush in seiner Rede an die Nation angekündigt hat, dürfte ihm russischer Widerstand sicher sein. Denn Bushs Achse des Bösen besteht aus alten russischen Freunden.

Beim Besuch des irakischen Vizepremiers Tarik Asis in Moskau erklärte sich in der vergangenen Woche von der Duma über den Patriarchen praktisch die ganze Nation solidarisch mit Bagdad. Russland akzeptiere keine Ausweitung der antiterroristischen Aktionen auf einen anderen Staat, auch nicht auf den Irak, warnte das russische Außenministerium. Ein solcher Angriff der USA würde jenen extremistischen Kräften in die Hände spielen, welche die Koalition gegen den Terror zerschlagen wollten, erklärte Außenminister Igor Iwanow. Das weitere Vorgehen in der Terrorbekämpfung müsse vom UNO-Sicherheitsrat, wo Russland ein Vetorecht hat, koordiniert werden.

Doch nicht nur vor den Irak, sondern auch vor Iran und Nordkorea dürfte sich Russland im Falle eines US-Angriffs stellen. Den nordkoreanischen Führer hat Russland letzten Sommer mit allem Pomp empfangen, wie er in kommunistischer Zeit üblich war. Nachdem Kim Jong-Il tagelang mit dem Zug durchs Land gereist war, wurde in Moskau eine neue strategische Allianz zwischen den einstigen ideologischen Bruderstaaten verkündet. Russlands Präsident Wladimir Putin wurde nicht müde, Kim als veritablen und verantwortungsvollen Staatsmann zu präsentieren. Adressat der Botschaft war sicherlich Washington, das Nordkorea seit Jahren als einen jener Schurkenstaaten beschimpft, gegen die es seinen umstrittenen Raketenschutzschirm aufbauen will.

Mit Iran pflegt Russland intensive wirtschaftliche Beziehungen. Anfang Oktober, als Putin die neue Freundschaft mit Bush feierte, schlossen Russland und Iran neue Rüstungsverträge für die nächsten Jahre ab. Sie sollen ein Gesamtvolumen von sieben Milliarden Dollar umfassen. Iran ist vor allem an Langstreckenraketen des Typs S-300 interessiert sowie an Kampfflugzeugen.

Damit wurden die Waffenlieferungen endlich zugegeben: Jahrelang hatte Moskau nämlich amerikanische Vorwürfe zurückgewiesen und bestritten, überhaupt Waffen an Teheran zu verkaufen. Zudem baut Russland im Süden Irans ein Atomkraftwerk. Auch dieses Engagement erregt sehr das Missfallen Washingtons. Die Amerikaner warnen schon lange davor, die Russen könnten dem Iran dabei helfen, Nuklearwaffen zu bauen.

In Moskau wachsen derweil Unmut und Ärger über den neuen Partner, der zunehmend in die alte Rolle zurückfällt. Moskau musste sich amerikanische Kritik an der Schließung des unabhängigen Fernsehsenders TV 6 gefallen lassen. Washington schert sich auch nicht mehr um Moskaus Bedenken gegenüber der Stationierung von US-Soldaten in Zentralasien und macht sich ungefragt in Russlands Hinterhof breit.

Auch beim Thema Tschetschenien hält sich Washington nicht mehr an das Stillhalteabkommen der vergangenen Monate. Besonders wütend hat Moskau auf den Empfang des tschetschenischen Außenministers, Iljas Achmadow, in Washington reagiert. Das Treffen, das erste dieser Art seit dem 11. September, widerspreche dem Geist von Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen den beiden Ländern im Kampf gegen den Terrorismus, hieß es dazu im Moskauer Außenministerium. In Washington unterscheide man offenbar noch immer zwischen guten und schlechten Terroristen.

ZITA AFFENTRANGER

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