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Verhalten frohlocken die Forscher

Nachdem der Bundestag erlaubte, begrenzt embryonale Stammzellen einzuführen, wollen Wissenschaftler schnell mit der Forschung beginnen. Ein Gesetz fehlt zwar noch, doch die DFG will trotzdem die ersten Forschungsvorhaben bewilligen

von WOLFGANG LÖHR

Gedämpfte Freude und Bestürzung waren die ersten Reaktionen nach der Abstimmung im Bundestag über den Import embryonaler Stammzellen. Als einen „Erfolg für die Wissenschaftler“ bezeichnete der Neuropathologe Oliver Brüstle das Ergebnis. Der Bonner Wissenschaftler, der seit eineinhalb Jahren bereits auf die Bewilligung eines Forschungsvorhabens mit importierten embryonalen Stammzellen wartet, sieht jetzt den „Boden bereitet“ für weitere Entwicklungen in der Stammzellforschung. Nicht ganz so zufrieden äußerte sich der Chef der Hannoveraner Biotechfirma Cytonet, Wolfgang Rüdiger. Er forderte, dass auch eine begrenzte Stückzahl in Deutschland gewonnener embryonaler Stammzellen für die Forschung freigegeben wird.

Die Vertreter der beiden großen Kirchen hingegen sind mit der Importerlaubnis für bereits bestehende Zelllinien nicht einverstanden. Sie befürchten, dass dies nur der erste Schritt in eine verbrauchende Embryonenforschung ist. Der Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, warnte davor, nach einer „Salami-Taktik“ zu verfahren. Der Bundestagsbeschluss müsse das letzte Wort sein, forderte er, man müsse zudem sicherstellen, „dass die Einschränkungen auch tatsächlich eingehalten werden“. Sein bayerischer Kollege, Landesbischof Johannes Friedrich, hält sogar für möglich, dass der Rat der Evangelischen Kirchen (EKD) das Verfassungsgericht anruft.

Gestern Abend noch wollte die Deutsche Foschungsgemeinschaft (DFG) ihre Entscheidung über Brüstles Antrag bekannt geben. Dreimal schon hatte die DFG die Beschlussfassung verschoben. Sie wollte warten, bis der Bundestag sich geäußert hat. Nun ist zwar der Beschluss da, aber ein Gesetz über den Import embryonaler Stammzellen liegt noch nicht vor. Weder ist geregelt, wie die einzuhaltenden strengen Importauflagen überprüft werden, noch welches Amt dafür zuständig ist. DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker ist trotzdem optimistisch. Schon jetzt sei es der DFG möglich, so Winnacker, Anträge auf finanzielle Förderung von Stammzellprojekten zu bewilligen. Widerspruch kommt von dem Mannheimer Juristen Professor Jochen Taupitz. Er sagte im Deutschlandfunk, der Bundestagsbeschluss ohne das zugehörige Gesetz bringe die Forscher noch nicht weiter. Niemand könne bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes Stammzellen importieren, auch wenn die Auflagen erfüllt werden.

Mittlerweile sind bei der DFG weitere Anträge für Forschungsvorhaben mit embryonalen Stammzellen eingegangen. Auch bei der deutsch-israelischen Forschungsförderungsgemeinschaft (GIF) liegt seit längerem schon ein Antrag vor.

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