Falsch verstandener Korpsgeist

betr.: „Vergessliche Polizisten“, taz vom 26. Januar

Die schlimmen Erlebnisse von Isa C. auf der Wache Sandstraße in der Nacht des 9. Februar 1998 erinnern in beklemmender Weise an Berichte aus Bananenrepubliken oder die Behandlung von Kurden in Ostanatolien durch die türkische Polizei. Die Schwierigkeiten des Gerichts, wenigstens den Haupttäter unter den vier Beteiligten Polizisten zu identifizieren, muss jeden Staatsbürger empören, der noch eine Spur von Vertrauen in die Justiz hat. Sollte es in unserem Rechtssystem wirklich keine Möglichkeit geben, bei erwiesener Tatbeteiligung der vier Polizisten eine Aussage zu erzwingen, wenn die Herren nur alle brav dichthalten und sich angeblich kollektiv „kaum an Details erinnern“? (...)

Vergleichbar mit dem Fall Tim Koehne stellt dieser erneut zu Tage getretener und falsch verstandene Korpsgeist innerhalb der Polizeitruppe das eigentliche Problem für das Verhältnis Bürger - Staat dar: Wenn der Bürger in einer Demokratie das Gewaltmonopol des Staates akzeptieren soll, dann muss allerdings auch die Polizei garantieren, dass er nach einer Vorführung auf die Wache nicht anschließend mit gebrochenem Hüftpfannengelenk im Krankenhaus aufwacht.

Wie stark muss der Druck in der Polizeitruppe sein, bloß den Mund zu halten, um nicht später als „Kameradenschwein“ denunziert und möglicherweise aus dem Dienst gemobbt zu werden. Wie wenig entwickelt ist bei Teilen der Polizei offensichtlich das, was man in unserer Stadt auch Zivilcourage nennt?

Die so genannten „Erinnerungslücken“ von vier Beamten erweisen sich ein weiteres Mal als Bärendienst für die Bremer Polizei, denn die weit überwiegendev Mehrheit der Polizisten, die aufopferungsvoll und rechtsstaatlich zuverlässig ihren ohnehin schweren Dienst versieht, gerät nun erneut in Gefahr, undifferenziert dieser „Prügeltruppe“ zugeordnet zu werden. Und das hat sie wahrlich nicht verdient.

Dieter Mazur