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„Noch viel Kasernen-Pädagogik“

■ Alle reden über PISA. Wie schwer kleine Reformschritte sind, hat die Schulleiterin Karin Knop erfahren

„Autonomie der Schulen“ ist bundesweit ein heiß umstrittenes Thema. Im Herbst hat eine Arbeitsgruppe der Behörde dazu ein Modell entwickelt (vgl. taz 12.11.2001). Die Ergebnisse wurden aber von der Bildungsdeputation verworfen. Wir sprachen mit Karin Knop, der Schulleiterin der Reform-Grundschule Grambke, die nach dem Vorbild des PISA-Erfolgslandes Schweden die„Klassen“ durch altersgemischte Lerngruppen ersetzt hat. (vgl. taz 29.1.)

Im Bremer Schulgesetz ist die „Autonomie der Schulen“ seit fast zehn Jahren als Ziel formuliert. Wieso haben die Schulen nicht längst diese Autonomie? Was wollte die Arbeitsgruppe Schulautonomie?

Karin Knop, Leiterin der Grundschule Grambke: Wir haben einen kleinen Haushalt, 10.000 Euro, damit können kleinere Beschaffungen bezahlt werden. Bei der Arbeitsgruppe ging es darum, dass die Schulen auch über ihr eigenes pädagogisches Profil entscheiden dürfen. Die Schulautonomie, die ich in Schweden gesehen habe, ist etwas ganz anderes, da geht das bis hin zur Lehrereinstellung.

In jedem normalen Betrieb fängt die „Autonomie“ bei der Personalpolitik an. Eine Schule muss sich doch auch Lehrer für ihr Profil aussuchen können, wenn das funktionieren soll.

Das haben wir nicht. Die Behörde stellt die Lehrer ein. Wenn die Schulen aber ein eigenes Profil bekommen, entwickeln sie sich auseinander. Klar braucht man dafür Lehrer, die hinter diesem Profil stehen. Meine Schule in Grambke ist ein typisches Beispiel. Ich kann nicht irgend jemanden gebrauchen, ich brauche Lehrerinnen und Lehrer, die hinter dem Prinzip des jahrgangsübergreifenden Unterrichts stehen und sich dafür engagieren.

Sie haben in einer Arbeitsgruppe der Schulbehörde gesessen, die an einem Modell gearbeitet hat, die Schulen auch organisatorisch autonom zu machen – in der Rechtsform von Anstalten öffentlichen Rechts.

Das geht zurück auf die Koalitionsvereinbarungen von 1999. Es sollte zwei Pilotschulen pro Stufe geben, bei denen die Autonomie auch die Personalhoheit einschließt. Die Arbeitsgruppe hat an einem Gesetzestext gearbeitet, das Ergebnis ist im Dezember in der Bildungsdeputation beraten worden. Da war auch der Hamburger Staatsrechtsprofessor Frank-Rüdiger Jach dabei, der dieses Modell sehr positiv fand und immer wieder auf Schweden verwiesen hat, wo man die Vorteile der Schulautonomie studieren kann.

Das Modell ist von den Bildungs- politikern verworfen worden.

Das ist wohl politisch nicht durchsetzbar.

Bei wem denn?

Alle drei Parteien haben wohl gesagt, dass sie das nicht wollen.

Haben Sie mit anderen Bremer Grundschullehrern eine Diskussion über Ihr Modell, die Jahrgangs-Klassen abzuschaffen?

Das ist ein schwieriges Thema. Man glaubt es nicht, es gibt unter Schulleitern ein Konkurrenz-Verhalten. In der Schulleiter-AG, in der alle 70 Bremer Schulen vertreten sind, ist so was noch nicht besprochen worden. Nur wer wirklich eine Vision im Kopf hat, kann unser Modell erfolgreich umsetzen.

Wo haben Sie sich denn angesteckt mit dieser Idee?

In Köln gibt es mehrere Schulen mit einem reformpädagogischen Ansatz. Da lebt auch der Enkel von Peter Petersen, der die Grundlagen unseres Konzeptes entwickelt hat. Und dann bin ich öfter nach Schweden gefahren, da haben wir uns Schulen angesehen. Da war ich einfach fasziniert. Im Vergleich zu schwedischen Schulen machen wir hier Kasernen-Pädagogik.

Wann haben Sie das in Schweden gesehen?

1994. Seitdem bin ich davon angesteckt. Alles, was wir jetzt hier planen als Schlussfolgerungen aus der Pisa-Studie, das haben die da schon. Und ich muss ganz ketzerisch sagen: Sie haben es vorwiegend erreicht, weil sie an die Lehrerarbeitszeit herangegangen sind.

Wie das?

Die Unterrichtverpflichtung der schwedischen Lehrer ist geringer, die Klassen sind kleiner, aber die Lehrer sind in der Schule, 30 Stunden in der Woche. Nachdem die Regierung das beschlossen hatte, haben die Lehrer angefangen, gemeinsam zu arbeiten.

Fragen: K.W.

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