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herr tietz macht einen weiten einwurfFRITZ TIETZ über den Trend zum Nacktkampf

Tätowierte Sportnudisten

Ausgerechnet am Schnapszahlen- und Allerweltshochzeitsdatum 2. 2. 02 erreichte uns diese traurige Nachricht: Anja Fichtels Ehe bricht auseinander. Zehn Jahre nach ihrer Vermählung mit einem Österreicher warf Deutschlands erfolgreichste Fechtsportlerin die Ehebrocken erst mal hin und ist einstweilen aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen.

Einige Jahre her, da hatte Anja Fichtel (33) schon mal mit einem Auszug für Aufsehen gesorgt. Die Bild-Zeitung erinnerte jetzt daran: „Anja Fichtel / Die erste Sportlerin, die sich auszog / Ehe kaputt“, lautete die Schlagzeile zu ihrem Bericht über den bedauerlichen Partnerschaftsabbruch. Offenbar sind es für Bild nicht die sportlichen Erfolge der einstigen Weltklasse-Fechterin, sondern ihre epochalen Nacktfotos, die sie berühmt machten. Dafür spricht auch, dass kein fesches Fechtfoto aus Frau Fichtels aktiven Zeiten neben die Meldung platziert wurde, sondern eine ihrer damaligen Nacktaufnahmen – mit einem allerdings, für meinen Geschmack, geringen erotischen Knisterwert, weil Frau Fichtel darauf, sehr schnittig frisiert und etwas zu schneidig dreinblickend, eine ebenso frappierende wie abtörnende Ähnlichkeit mit Stefan Effenberg aufweist.

Der ist zwar keine Sportlerin, war aber neulich, ebenfalls halbwegs ausgezogen, auf einem Zeitungsfoto zu bewundern: Im kleinen ärmellosen Schwarzen sieht man ihn da neben einem 1a behämmerten Stecherblick eine voluminöse Tätowierung präsentieren, welche seinen rechten Oberarm gleichsam geschwulstartig überzieht. Laut Effenberg sollen diese graublauen Hautschlieren einen Drachen darstellen, der „Stärke und Unbesiegbarkeit“ symbolisiert. Wie ja die tätowierte und neuerdings immer rudelweiser in Erscheinung tretende Sorte Mensch meist sehr darum bemüht ist, irgendwas Symbolisches in ihren Tattoos trapsen zu sehen, anstatt sich einfach nur einzugestehen: „Sieht scheiße aus!“

Neben der großflächigen Tattooisierung greift derzeit die allgemeine Nudisierung im Spitzensport immer weiter um sich. Vor allem Sportlerinnen drängt es, sich nackig zu zeigen, wenn auch bisher nur in einschlägigen Illustrierten. Wann werden die ersten Wettkämpfe nackt ausgetragen? In einigen Sportarten, etwa in der Leichtathletik, zeichnet sich bereits ein deutlicher Trend zum Nacktkampf ab, da haben die Frauen eh kaum noch was an. Auch viele der Männer bevorzugen eher ent- als verhüllende Bekleidung. Ich sah einmal in der Zeitlupenwiederholung eines 100-Meter-Laufs das mächtige Gemächt eines Läufers unter seiner engst anliegenden Hose derart in Schwingungen geraten, dass ich doch sehr erstaunt war, wie der überhaupt noch geradeaus laufen konnte und nicht von den enormen Pendelkräften seines unverkennbar elefantösen Gehänges immerzu nach links und rechts aus der Bahn geschleudert wurde. So einen Läufer mal ohne Hosen laufen zu sehen, fände ich zumindest – na, sagen wir – ganz interessant.

Natürlich sind nicht alle Disziplinen voll nacktsporttauglich. Radfahrern etwa sollte man wenigstens ein Polster im Schritt bzw. Sitz belassen. Bulgarische Gewichtheber können von mir aus gern was anbehalten, ebenso chinesische Kugelstoßerinnen. Nackte Schwimmer oder Turmspringerinnen würden mich weniger stören. Auch im Wintersport wäre mehr Nacktheit wünschenswert, erst recht angesichts der öden Wurstpellen, die Skifahrer oder Eisschnellläuferinnen tragen. Können die nicht wenigstens transparent sein? Dann sähe man auch Anni Friesingers berühmtes Bauch-Tattoo, das bisher nur auf Fotos zu betrachten ist und was noch mal symbolisieren soll? Ach ja, Stärke.

Wie wohl ein Tattoo aussieht, das Schwäche symbolisiert? Mal den Versager des letzten Wochenendes fragen. Der 800-Meter-Läufer Nils Schumann ist ebenfalls großräumig tätowiert.

Fotohinweis:Fritz Tietz, 43, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

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