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Der dritte Raum ist wenigstens dunkel

Die aktuelle Sonderschau „Sex – Vom Wissen und Wünschen“ des Dresdner Hygiene-Museums will von Lust nichts und vom Wünschen wenig wissen. Alle Dinge, die Spaß machen könnten, ließen die Ausstellungsmacher konsequent weg

135 Millionen Dollar will George W. Bush für eine Kampagne bereitstellen, die amerikanische Jugendliche zur Enthaltsamkeit bewegen soll. Das könnte er billiger haben – der Besuch der aktuellen Sonderausstellung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden vermittelt schließlich den Eindruck, dass Sex völlig veraltet ist und allenfalls noch in verstaubten Museen für Aufregung sorgt. Der hippe Jugendliche von heute dagegen kann auf den unmodernen animalischen Akt, bei dem man ohnehin nur schwitzt und sich im schlimmsten Falle irgendwelche Körperteile verrenkt, locker verzichten.

Was Sexualität heute bedeutet, wie sich sexuelle Praktiken und Wünsche verändert haben, wollten die Ausstellungsmacher zeigen und wählten für ihr Projekt den Titel „Sex – Vom Wissen und Wünschen“. Doch die drei Ausstellungsräume vermitteln lediglich geballtes und steriles Wissen, die Wünsche sind auf dem Weg zwischen den etwa 600 Exponaten irgendwo verloren gegangen. Bereits der erste Raum könnte abtörnender nicht sein. In grauen und eng gestellten Regalen ist wahllos eine ganze Bibliothek zusammengestellt, von Kolle über Freud zu Houellebecq. Emma- und Spiegel-Titelbilder dokumentieren den Zeitgeist. Sex ist heute eben nichts ohne das Wissen darüber, was man da eigentlich treibt.

Wer es gar nicht treiben will, dem stehen zur Fortpflanzung ohnehin ganz andere Techniken zur Verfügung. Die Schaukästen zu künstlicher Befruchtung und allen Aspekten der Reproduktionstechnologie im zweiten Saal zeigen, dass Sex bald überhaupt nicht mehr nötig sein wird. Und das ist auch gut so – wirken doch alle Exponate, die nicht aus der schönen, neuen, sexfreien Welt stammen, wie die Überbleibsel einer kranken und gottlob überwundenen Verwirrung. Schwule, so ist da zu sehen, sind ein lustiges kleines Völkchen, das sich mit bunten Tüchern schmückt, um Gleichgesinnte zu finden. Das funktioniert über Farben, aber weil das für normale Menschen ohnehin so pervers ist, muss der Code gar nicht erst erklärt werden. Am Ende kommen junge Menschen noch auf dumme Ideen.

Vielleicht wurden deshalb alle Dinge, die Spaß machen könnten, konsequent weggelassen. Der erste Vibrator der Welt, der in Größe und Form eher an ein Folterinstrument erinnert, liegt genauso aus wie ein eiserner Onanierschutz. Doch damit hat der Teil der Ausstellung, der entfernt an so etwas wie Lust erinnert, auch schon ein Ende. Nichts da mit Dildo, Gummipuppe oder Porno. Stattdessen etwa dreißig Jahre alte Gummihosen, mit denen transsexuelle Männer ihre Genitalien verbergen, und Leibchen, mit denen Frauen ihre Brüste unsichtbar machen können. Kopuliert wird hier nur im Kernspintomografen, und das auch nur zu wissenschaftlichen Zwecken. Sex zum und mit Spaß scheint es für die Ausstellungsmacher nicht zu geben.

Im dritten Raum ist es wenigstens dunkel. Dort kann man Filme sehen, in denen sich Yoko Ono das Kleid zerschneiden lässt oder ein fetter nackter Mann durch seine Wohnung hüpft. Vielleicht hat man aber auch Glück und trifft auf ein lustvoll knutschendes Paar, das Lust hat – ganz ohne jeden wissenschaftlichen Grund. SUSANNE KATZORKE

„Sex – Vom Wissen und Wünschen“. Deutsches Hygiene-Museum, Dresden, bis 11. August, Katalog 19,80 €

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