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Wahnsinn bei Mainzer BSE-Tests

Zwei private Institute in Rheinland-Pfalz werden unzureichender BSE-Tests beschuldigt. Das Rindfleisch wird sichergestellt, doch der größte Teil davon ist inzwischen gegessen. Importstopp für deutsches Rindfleisch nicht mehr ausgeschlossen

von BERNHARD PÖTTER

Das „vorläufige Fazit“ des Skandals klingt in der Behördensprache so: „Vor dem Hintergrund der oben angeführten Mängel bei der Testdurchführung ist letztendliche Sicherheit über die Aussagekraft der Tests derzeit nicht gegeben.“ Auf Deutsch bedeutet diese Passage aus der Tischvorlage der Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, Margit Conrad, dass sich niemand auf die tausenden von BSE-Tests verlassen kann, die von zwei privaten Instituten im letzten Jahr durchgeführt wurden. Die beiden Labors, das Institut Kuhlmann in Ludwigshafen und IFKE in Mainz, seien bei Routineuntersuchungen auffällig geworden, hieß es gestern.

Die Schlampereien führte die Umweltbehörde detailliert auf: Bei Kuhlmann wurden „in der überwiegenden Zahl der Testdurchläufe Abweichungen von den Durchführungsbestimmungen des Testherstellers festgestellt“ und weniger Negativ- und Positiv-Kontrollen gemacht als vorgesehen. Für 21 Fälle „liegt uns bis heute keine ausreichende Dokumentation vor“, heißt es. Beim Mainzer Institut IFKE wiederum wurde „ein Schritt des Probenablaufs abweichend von den Vorgaben des Herstellers von 1 Stunde auf 45 Minuten verkürzt.“ Seit März sind in Ludwigshafen 7.700 Rinder, in Mainz rund 5.000 Rinder auf die Rinderseuche BSE getestet worden. Insgesamt gebe es keinen Hinweis, dass ein positiver Test als negativ herausgegeben wurde, erklärte die Ministerin. Dennoch habe sie veranlasst, „im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes“ das Fleisch aus den Labors sicherzustellen. Doch die Wirkung dieser Maßnahme ist gering: Das Fleisch sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ bereits gegessen, erklärte das Umweltministerium.

Bereits vor wenigen Wochen hatte die bayerische Firma Milan Schlagzeilen gemacht. Ihr Labor in Westheim, das Rindfleisch für die Firma Südfleisch testete, hatte BSE-Tests durchgeführt, ohne die dafür erforderliche Lizenz zu haben. Mindestens 270, vielleicht bis zu 39.000 Rinder wurden daher nicht vorschriftsmäßig auf Rinderwahn getestet. Weil Teile des Fleisches ins Ausland verkauft wurden, fürchten Bauern und Verbraucherministerium jetzt einen Importstopp für deutsches Rindfleisch und die Rückzahlung von EU-Exportbeihilfen.

Die Meldungen über Schlampereien bei den BSE-Tests könnten sich in den nächsten Tagen häufen. Denn für morgen hat das Bundesverbraucherministerium die Länder gebeten, einen Überblick über die Kontrolle der BSE-Kontrolleure zu erstellen. Eine Antwort gibt es laut dem Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, Alexander Müller, erst von einem Land: Rheinland-Pfalz. Er habe „keine Hinweise darauf, dass sich ähnliche Fälle auch in anderen Ländern ereignet haben“, sagte Müller auf Anfrage der taz. Er könne das aber nicht ausschließen. Bereits vor einigen Wochen hatte ein EU-Bericht festgestellt, in Deutschland fehle es an der Kontrolle der Kontrolleure im Lebensmittelbereich.

Die Überprüfung der etwa 100 deutschen BSE-Labors ist Ländersache. Vor einem Jahr sind die Kapazitäten sehr schnell aufgebaut worden. Je nach Land sind sie an private oder staatliche Labors vergeben worden. Es könne nicht sein, dass die Regeln für die BSE-Tests „von der Preisseite her ausgehebelt würden“, sagte Müller. Auch Umweltministerin Conrad stellte die Frage, ob BSE-Tests in Zukunft nur noch in staatlichen Labors oder streng überwachten privaten Instituten durchgeführt werden sollten. Offenbar gebe es einen „starken ökonomischen Druck“ seitens der Landwirtschaft und der Fleischindustrie, möglichst schnell und preiswert zu testen.

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