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: Auch dies Jahr grüßt das Murmeltier

Ein Nager namens Phil

In Bayern empfiehlt man Murmeltierfett gegen Rheuma. In Punxsutawney darf man dergleichen nicht erwähnen. Es wäre, um es vorsichtig auszudrücken, politically incorrect. Es ist, sagt Oscar, born and raised in Pittsburgh, PA, „reason enough for people here to blow your head off“.

Punxsutawney ist ein pittoreskes 7.000-Seelen-Städtchen im Nordwesten des US-Bundesstaates Pennsylvania. Es verfügt über eine Hauptstraße, eine Handvoll schachbrettartig angelegter Seitenstraßen, eine Highschool, ein Community Center, einen Countryclub, manch hübsche Holzkirche und ein McDonald’s am Town Square. In Kombination mit einem Namen, der weder zur schriftlichen noch mündlichen Überlieferung taugt, wäre es sein verdientes Schicksal, vom Rest der Welt ignoriert zu werden. Wurde es auch. Bis Harold Ramis 1993 mit seinem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ der Stadt ein Denkmal setzte. Seitdem nennt sich Punxsutawney „Weather Capitol of the World“ und ist mit seiner stetig wachsenden Schar von Murmelmeteorologen-Groupies einem sympathischen Größenwahn verfallen.

Im Film ist Bill Murray in einer hinterhältigen Zeitschleife gefangen, die ihn jenen stets am 2. Februar in Punxsutawney gefeierten „Murmeltiertag“ wieder und wieder erleben lässt. Eine Tradition, die – ohne Zeitschleife – seit 1886 gepflegt wird. Ein Dutzend amüsierwilliger Jäger hatte damals, von einem keltischen oder fränkischen (who cares anyway) Brauch inspiriert, beschlossen, an Mariä Lichtmess bei Tagesanbruch ein Murmeltier aus dem Schlaf zu holen. Wenn es dabei seinen Schatten sieht, folgen sechs Wochen Winter, sieht es ihn nicht, gibt es bald Frühling. Um den Funfaktor zu optimieren, wurde der so genannte Inner Circle gegründet: ein Herrenklub, dessen Präsident der einzige Mensch der Welt ist, der die Prognose des Murmeltiers versteht. Bis heute. Bis heute holt deshalb der Präsident das Viech namens Phil ans Licht und übermittelt der erwartungsvollen Menge das Verdikt. Seit 2000 auch unter www.punxsutawneyphil.com. Die schwarzen Zylinder der Herren des Inner Circle blieben gleich, the times they are a changin. Wer dieses Jahr Phil sehen wollte, musste früh aufstehen: Allein 250 Journalisten hatten sich zum magischen Datum 02. 02. 02 angemeldet. Ab drei Uhr früh rollten die Übertragungswagen Richtung Gobbler’s Knob, jener Waldlichtung, wo die Erweckungszeremonie stattfindet: vorbei an Punxsys Vorgärten mit selbstgeschnitzten Murmeltiersilhouetten, „Happy Grundhog Day“-Schriftzügen und Murmeltierfahnen aller Größen, geführt, begleitet und gefolgt von unzähligen gecharterten gelben Schulbussen, die 38.000 Phil-Fans in der Kälte aussetzten. 38.000 Menschen, die bei Minusgraden im Dunkeln im Gehölz auf ein müdes Nagetier warten: So kann Maria Lichtmess nicht gemeint haben.

College kids rocken zu „YMCA“ und anderen all time favourites, wobei der Trend bei Jungs noch immer zu nacktem Oberkörper und tief hängenden Jeans mit Unterhosen-show-off geht. Die kurze vorhergehende Nacht hatten wenige im Hotel und die meisten im Auto trinkend verbracht. Entsprechend verwirrt wurden nun Teenager-Heiratsanträge vorm Mikro gemacht.

Ein blau-weiß-rotes Feuerwerk, gefolgt von „God bless the USA“ und Morgenröte, leitete geschickt über zur Erinnerung an „that very dark day, when chaos reigned“, wie es ein Herr vom Inner Circle formuliert. Zeit für einen Gruß „to our troops out in Afghanistan, Pakranistan or wherever they are. Let’s give them a: Go America!“ Und 38.000 gaben. Gaben alles. „When I say Punxsy!, you say Phil!“ – „Punxsy!“ „Phil!“ – „Punxsy!“ „Phil!“

Dass das Tier bis 7.25 Uhr nicht längst am Herzinfarkt verendet war, grenzte an ein Wunder. Doch es verließ unbeschadet seinen Baumstumpf, flüsterte: „Six more weeks of winter“, und stellte sich profimäßig dem Blitzlichtgewitter. Dann war die Party vorbei.

Zurück im Ort, lachte einem beim Frühstück Phils Bild aus der Zeitung an (wie machen die das???). Auf dem Town Square wurden Eisskulpturen gesägt, es gab Chili für alle. Vor den Souvenirläden bildeten sich brave, lange Schlangen. Ab dem Sommer, erzählte man stolz, werden in der Stadt überall bemalte Murmeltiere stehen.

Zeit, die Stadt zu verlassen. Und da fiel auch erstmals dieser etwas andere Vorgarten auf: „Hunters Welcome“ wurde mit großen Lettern in den Rasen gestampft. CHRISTIANE KÜHL