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Madagaskars Machtkampf immer härter

Mit Massendemonstrationen und Generalstreik will Oppositionsführer Ravalomanana seinen Wahlsieg durchsetzen

BERLIN taz ■ Der Machtkampf zwischen Regierung und Opposition auf Madagaskar eskaliert. Nach zwei Wochen täglicher Massendemonstrationen und einer Woche Generalstreik unterstrich Oppositionsführer Marc Ravalomanana gestern seine Macht über die Hauptstadt Antananarivo mit einem Aufruf zur „Operation Geisterstadt“, der nach Angaben von Augenzeugen weithin befolgt wurde. Straßen blieben leer, Geschäfte und Behörden blieben geschlossen.

Zu der Operation hatte Ravalomanana, zugleich Bürgermeister der Hauptstadt, am Montag beim bisher größten Aufmarsch der laufenden Protestwelle aufgerufen. „Wir haben die Macht in diesem Land“, rief Ravalomanana vor 700.000 bis 1,3 Millionen Demonstranten.

Bei den Protesten geht es um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 16. Dezember. Es gibt viele verschiedene Ergebnisse dieser Wahl, die zwar alle Ravalomanana an erste Stelle vor Amtsinhaber Didier Ratsiraka setzen, aber nicht alle über die 50-Prozentmarke, die eine Stichwahl überflüssig machen würde. Am 24. Dezember gab Madagaskars Innenministerium, zuständig für die Organisation der Wahl, dem Oppositionschef 46,44 Prozent der Stimmen. Das Verfassungsgericht, zuständig für die Prüfung des Ergebnisses, korrigierte dies am 25. Januar auf 46,21 Prozent. Zwischenzeitlich reklamierte Ravalomananas Wahlbündnis MKKR aufgrund der Auszählungsprotokolle seiner eigenen Beobachter den Sieg mit 52,15 Prozent. Der Kirchenverband gab Ravalomanana 51,1 Prozent, ein unabhängiges Wahlbeobachterteam 50,49.

Jeder in Madagaskar kann sich nun ein Ergebnis aussuchen und daraus schließen, ob es am 24. Februar zu einer Stichwahl zwischen Ravalomanana und Ratsiraka kommen soll oder nicht. Zahlreiche ausländische Politiker haben sich dafür ausgesprochen. Amara Essy, Generalsekretär der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) sagte, wenn die Opposition die Mehrheit habe, werde sie eine Stichwahl wohl problemlos gewinnen und solle sich daher nicht so anstellen. Die Anhänger der Opposition sehen das anders. Eine Teilnahme an der Stichwahl wäre für sie gleichbedeutend mit der Anerkennung vermuteter Manipulationen im ersten Wahlgang, die im zweiten Wahlgang noch massiver ausfallen würden.

Der Oppositionsführer sieht sich als Führer einer Volksbewegung, die gegen eine korrupte Machtclique kämpft. Sie erinnert sich an den Sommer 1991, als Ratsiraka – er regierte damals seit 1975 als Militärdiktator – zum letzten Mal gestürzt wurde. Wochenlang gab es damals tägliche Massendemonstrationen, bis Soldaten in die Menge schossen, 300 Menschen töteten und danach Reformen unausweichlich waren.

Damals wie heute ist die Konfrontation auf der Straße eine zwischen zwei Kulturen. Ratsiraka, der 1996 bei Wahlen zurück an die Macht kam, steht für den autoritären Staat mit staatlich kontrollierten Medien und Unternehmen, für die Bindung an die einstige Kolonialmacht Frankreich, für die katholische Kirche und für die Bevölkerung ländlicher Regionen, die historisch gegenüber den Ethnien des Hochlandes, wo die Hauptstadt liegt, benachteiligt waren. Ravalomanana, Chef des größten Privatunternehmens von Madagaskar, steht für privates Unternehmertum und die unabhängigen Medien, für die Lösung von Frankreich, für die protestantischen Freikirchen und für die Völker der Hauptstadt und des Hochlandes.

Ravalomanana liegt heute nach Punkten vorn. Sogar die Zentralbank unterstützt ihn, und bei der Demonstration am Montag trat erstmals der Generalvikar der Katholiken, Paul Randriamanana, an seiner Seite auf.

DOMINIC JOHNSON

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