: Asylverfahren mit Penisbeschau
Sachbearbeiter der Trierer Ausländerbehörde hat bei einem Exsowjetbürger geprüft, ob er beschnitten ist. Dadurch sollten Religion und Nationalität des Asylbewerbers geklärt werden. Kritik von Pro Asyl und der Ausländerbeauftragten Beck
aus Köln PASCAL BEUCKER
Wie findet man heraus, ob ein Asylbewerber mit einem Pass der Sowjetunion Armenier oder Aserbaidschaner ist? In der Trierer Ausländerbehörde versuchte ein Sachbearbeiter dieses Problem dadurch zu lösen, dass er mit dem Flüchtling zur Toilette ging – zur Penisbeschau.
Im Dezember wurde der 35-jährige Ali G. in der „Clearingstelle Rheinland-Pfalz für Passbeschaffung und Flugabschiebung“ Mitarbeitern des armenischen Konsulats vorgeführt. Sie sollten herausfinden, ob G. Armenier ist und daher eine Rücknahmeverpflichtung Armeniens besteht. Sein Mandant sei zunächst in verschiedenen Sprachen unter anderem nach seiner Religionszugehörigkeit befragt worden, berichtet der Wiesbadener Rechtsanwalt Eberhard Kunz. 94 Prozent der Armenier sind Christen, nur 6 Prozent Muslime.
Nach einem Gespräch zwischen Sachbearbeiter und Konsulatsvertretern, das sein Mandant nicht verstanden habe, habe ein Polizist G. zur Toilette geführt. Dort habe der Sachbearbeiter geprüft, ob G. beschnitten und somit kein Christ sei. Kunz dazu: „Das sind menschenunwürdige Zustände.“ Der Ausländerrechtsanwalt hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Sachbearbeiter gestellt.
In der Clearingstelle versteht man die Aufregung nicht. Ein Fehlverhalten seines Mitarbeiters will der Leiter Dietmar Martini-Emden nicht erkennen. Der Angestellte sei „gebeten“ worden, mit G. zur Toilette zu gehen, „damit dieser ihm dort eine Beschneidung nachweisen könne“, antwortete Martini-Emden auf einen Beschwerdebrief von Kunz. „Inwieweit dies möglicherweise ein freiwilliges Beweisangebot von Herrn G. war – wofür spricht, dass keinerlei zusätzliche Aufforderung erfolgen musste – oder ob dies von ihm verlangt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis“, so Martini-Emden. Außerdem sei „keine deutsche Behörde in die Veranlassung oder Genehmigung dieser Maßnahme involviert“.
Aber sie führte sie aus. „Praktiken dieser Art nicht mit allen Mitteln zu verhindern, deutet auf eine kaum glaubliche Unsensibilität in einem Land hin, in dem die Feststellung einer Beschneidung vor einigen Jahrzehnten eine tödliche Bedrohung dargestellt hätte“, wirft Pro Asyl nun der Behörde vor und fordert sofortige disziplinarrechtliche Konsequenzen. Auch die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, kritisiert das Verfahren. Es sei „ebeno untauglich wie unsachgemäß zur Feststellung der Staatsangehörigkeit“, sagte sie zur taz.
Ali G., dessen Asylantrag im Herbst 2000 abgelehnt wurde, kann übrigens vorerst in Deutschland bleiben. Nachdem der Trierer Sachbearbeiter den armenischen Konsulatsvertretern berichtete, was er gesehen hatte, war für die der Fall erledigt: Ali G. ist beschnitten, also Muslim und somit nach armenischer Logik kein Armenier. Da allerdings auch Aserbaidschan und Russland ihn bisher nicht haben wollen, wird Ali G. erst mal weiterhin in Rheinland-Pfalz geduldet.
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