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Motten statt Moneten

Der Tauschring Ottensen als Beispiel funktionierenden Handels in Zeiten des Teuro-Euro  ■ Von Markus Vogt

Viele Argentinier befinden sich gerade im Tauschrausch. Der Anlass: Das Land ist so gut wie bankrott, die Mehrheit von Mittelstand und Arbeiterschaft ist ruiniert.

Eine vergleichbare Krise war in Ottensen im Frühjahr 1996 nicht zu verspüren, als Theda Haack und Christine Beyer einen Tauschring im Viertel gründeten. 25 Personen erschienen zur Gründungsversammlung im Stadtteilzentrum „Motte“, womit gleich der Name des Zahlungsmittels feststand: „Motten“ heißen die alternativen Moneten. Das Angebot reicht von der Rubrik „Haus und Garten“ über „Büro“ bis hin zu „Psyche“; von Katze füttern über Wohnung renovieren bis hin zu Sprachunterricht ist fast alles dabei, was das Leben erleichtert. Zu lesen gibt es Angebote wie Anfragen in der zweimonatlich erscheinenden Zeitung „Mottenmarkt“.

Damit die Alternativwirtschaft funktioniert, ist Organisation gefragt. Und demokratisch soll es natürlich auch zugehen. Schließlich muss die Zeitung erstellt, die Kasse sowie die Konten verwaltet werden. Konten? Richtig, jedes Mitglied besitzt ein eigenes Konto, auf dem die Geschäfte verbucht werden. Alle Leistungen werden mit 20 Motten pro Stunde vergütet. Wer eine Dienstleistung erbringt, bekommt die dafür verbrauchte Zeit auf seinem Konto gut geschrieben, der sie in Anspruch genommen hat, bekommt den selben Wert abgebucht. Wie im realen Leben darf das Konto nur bis zu einer bestimmten Grenze überzogen werden. Wer zuviel Motten auf seinem Konto ansammelt hat, wird jedoch auch gebeten, wieder auf Tauschtour zu gehen. Die kann auch über die Grenzen des Viertels hinausgehen: Mit anderen Tauschclubs in Hamburg sind die Ottensener verknüpft, wobei eine halbjährlich erscheinende Vernetzungs-Zeitung den hamburgweiten Überblick gibt. Der alternative Handel ist auch bundesweit möglich und kann über den Ressourcen-Tauschring abgewickelt werden. Rund 140 Ottensener sind an der nicht kom-merzorientierten Ökonomie beteiligt, Aufnahmebedingungen gibt es keine. Fast das gesamte Berufsspektrum der Hansestadt ist repräsentiert, Arbeitslose eingeschlossen.

Vertreter der Managergilde sucht man in der Mitgliedergalerie allerdings vergebens. Vielleicht ist den betuchten Damen und Herren der Klub nicht teuer genug: Fünf Euro kostet der Jahresbeitrag, womit in erster Linie die Tauschring-Zeitung finanziert wird, eine einmalige Aufnahmegebühr von fünf Euro ist zudem fällig. Die Vorteile des Tauschclubs sind offensichtlich: Personen bieten das an, was sie gut können und auch ihnen Spaß macht, im Gegenzug können sie Leistungen in Anspruch nehmen, für die sie kein Händchen haben.

Jeden ersten Donnerstag im Monat findet ein Treffen im „Kaktus“ statt. Dabei geht es nicht nur bierernst um die Belange des Tauschclubs, denn der Treff dient auch zum gemütlichen Schnack in lockerer Atmosphäre. Das war nicht immer so. Im Januar 2001 kam es zu einer Art Palastrevolution: Mehrere Mitglieder wurden aus Gremien abgewählt und gleichzeitig die heutige Organisationsstruktur eingeführt. „Dennoch“, stellt Henjes klar, „sind wir kein Wirtschaftsbetrieb und wollen auch keiner werden.“

Infos: Tauschring Ottensen, Karsten Wagner, Tel. 040/38 10 99 115, Internet: www.tauschring-ottensen.de

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