: Spielräume besser ausloten
■ Es knistert in der Koalition. SPD und CDU bleiben uneins darüber, ob es in Bremen eine Härtefallkommission geben soll / Grüne wollen Entscheidung in der Bürgerschaft
Steuert die Große Koalition auf einen Härtetest zu? Unversöhnlich prallten die Haltungen von CDU und SPD gestern im Ausländerausschuss aufeinander – ausgerechnet bei der Frage, ob Bremen – wie vier andere Bundesländer –eine Härtefallkommission für Ausländerrechtsfragen bekommen soll.
Die SPD will dabei – mindestens auf Zeit – eine Härtefallkommission einsetzen. Die Hoffnung: Das mit PolitikerInnen sowie Kirchen- und BehördenvertreterInnen besetzte Gremium könnte ausländerrechtliche Ermessensspielräume ausloten, die vermeiden helfen, dass MigrantInnen in humanitäre Notlagen geraten – beispielsweise durch Abschiebung nach langem Deutschlandaufenthalt. Anhörungen von VertreterInnen aus anderen Bundesländern mit solchen Kommissionen hatten ergeben, dass entsprechende Prüfungen in 20 bis 30 Prozent der Fälle zugunsten der Betroffenen ausgehen.
PolitikerInnen der CDU lehnen diese Kommission jedoch ab – auch mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des parlamentarischen Petitionsausschusses. Nun werden die Grünen als Befürworter einer Härtefallkommission das Thema in die Bürgerschaft einbringen.
„Wir wollen doch mal sehen, ob die CDU innerhalb der Großen Koaliton das Vetorecht in humanitären Angelegenheiten hat“, machte der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner seine Sicht deutlich: Das CDU-geführte Innenressort mache politisch engstirnige Vorgaben, die ausländerrechtlich nicht zwingend seien. Zudem sei das Behördenargument trügerisch, wonach das Verwaltungsgericht solche gesellschaftlich umstrittenen Auslegungen durchweg bestätige. „Das Gericht prüft doch nur, ob das Verwaltungshandeln rechtens war.“ Richteraufgabe sei schließlich nicht, der Verwaltung weitergehende Vorschläge für eine großzügigere Auslegung zu machen – wie dies etwa eine Härtefallkommission tue. Doch nun blockierten die CDU-Abgeordneten ausgerechnet diesen Versuch der Versachlichung durch ein solches Gremium.
Der angekündigte Bürger-schaftsantrag der Grünen für die Einführung einer Härtefallkommission soll die SPD nun zwingen, hier Position zu beziehen. Das könnte interessant werden – zumal sich auch SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen im Zusammenhang mit der Abschiebung von türkischstämmigen Kurden aus dem Libanon für eine solche Kommisson ausgesprochen hat. Auch die Bremer Ausländerbeauftragte Dagmar Lill warb gestern im Ausländerausschuss für dieseLösung.
„Warum wollen Sie nicht wenigstens das Experiment versuchen?“, wandte sich Lill an die ablehnenden CDU-PolitikerInnen. Die Empfehlungen von Härtefallkommissionen anderer Länder wirkten friedensstiftend, da sie leichter akzeptiert würden. Auch könnten außergerichtliche Entscheidungen möglicherweise helfen, die oft langwierigen Gerichtsverfahren zu umgehen. Dabei erinnerte Lill an das Schicksal der libanesischen Familie Haidar, die erst das Oberverwaltungsgericht als Altfall anerkannte. „Das hätte man mit Ermessen für alle Betroffenen günstiger regeln können“, zumal der Vater von acht Kindern – wegen der Abschiebebemühungen – trotz Jobangebot nicht habe arbeiten dürfen.
Zuvor war der Vertreter des Bremer Innenressorts gestern ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Seine Darstellung, dass eine Härtefallkommission im „rechtsfreien Raum“ operiere und zudem Kosten verursache, hatten bei den roten und grünen ParlamentarierInnen Unmut ausgelöst. „Das Parlament ist der Gesetzgeber“, belehrte ihn der Grüne Güldner. Insofern die Abgeordneten im Ausländerausschuss eine Kommission einrichten wollten, würden sie auch die nötigen Rechtsgrundlagen schaffen. Auch die SPD-Abgeordneten Barbara Wulff und Gule Iletmis kritisierten, dass derartige Äußerungen über einen „rechtsfreien Raum“ die Kommission in die Nähe von Illegalität rückte.
„Man kann ja gegen eine solche Härtefallkommssion sein, die Frage ist aber, wie man das begründet“, hatte Iletmis zuvor geäußert. Sie sprach sich eindeutig für das Einsetzen einer Härtefallkommission aus. „Diese wird als ein anerkannter Partner für einen Dialog gebraucht.“ Die Befürchtung des CDU-Abgeordneten Karl Uwe Oppermann, wonach die Kommission Verfahren um strittige Aufenthalte in die Länge ziehe, teilten weder SPD- noch Grünen-Abgeordnete. Sie wollen eine solche Kommission frühzeitig in Verfahren einbezogen sehen. ede
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