: Der Ruf ruiniert, die Kasse gefüllt
Agrarbericht: Im letzten Jahr sind die Einkommen der Höfe um 17 Prozent gestiegen. Rinderzüchter als Verlierer, Putenmäster als Gewinner. Biobauern verdienen weniger. Höfesterben geht weiter, Bauernverband beklagt Verunsicherung der Landwirte
aus Berlin Bernhard Pötter
Das vergangene Jahr mit dem BSE-Skandal, der Maul- und Klauenseuche, der Hysterie bei den Verbrauchern und einer neuen Ministerin ist vielen Bauern aufs Gemüt geschlagen. Doch diese Form von Agrardepression hat sich auf den Konten der Landwirte nicht ausgewirkt. Im Gegenteil: Im Geschäftsjahr 2000-2001 ist das durchschnittliche Einkommen der Vollzeithöfe um 17,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen; 1999-2000 gab es einen Zuwachs von 13,5 Prozent. Diese Zahlen legte gestern Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) im jährlichen Agrarbericht der Bundesregierung vor, der inzwischen „Ernährungs- und agrarpolitischer Bericht“ heißt (www.bml.de).
Demnach erzielte der durchschnittliche Hof zwischen Sommer 2000 und 2001 ein Bruttoeinkommen von 36.318 Euro. Die höheren Preise für Milch und Schweinefleisch und die höheren Subventionszahlungen glichen damit die Verluste beim Rindfleisch mehr als aus. Allerdings nur im Durchschnitt: Denn die Rindermäster büßten durch die BSE-Krise 7,5 Prozent ihres Einkommens ein und befinden sich laut Künast in einer „schwierigen Situation.“ Richtig gut verdient haben dagegen die Geflügel- und Schweinezüchter, auf deren Produkte sich der Appetit der Verbraucher in der Krise richtete: Sie verbuchten 88 Prozent mehr Gewinn.
Das Höfesterben ging auch im letzten Jahr unvermindert weiter. Inzwischen gibt es noch 410.000 landwirtschaftliche Betriebe, 11.000 oder 2,6 Prozent weniger als noch 2000. Auch die Zahl der Beschäftigten ging um 4 Prozent auf 1,3 Millionen zurück.
„Die Zahl der Ökohöfe und der Ökobauern hat um jeweils etwa 21 Prozent zugenommen“, vermeldete die Ministerin. Inzwischen würden drei Prozent der Anbaufläche ökologisch bewirtschaftet. Doch beim Verdienst hapert es: Trotz geringeren Ausgaben für Düngemittel, höheren Ökosubventionen und besseren Preisen für ihre Produkte lag der Durchschnittsverdienst pro Arbeitskraft bei nur etwa 19.500 Euro, der eines konventionellen Vergleichhofs ähnlicher Größe bei 23.500 Euro – allerdings sind in den Zahlen noch keine Auswirkungen der Extrazuschüsse für Ökohöfe oder des Ökosiegels für Lebensmittel enthalten.
„Das zeigt, dass bisher wenig von der Wende in der Agrarpolitik auf den Höfen angekommen ist“, sagte dazu Onno Poppinga, Agrarökonom an der Uni Kassel. „Das beste Argument für Bauern, auf ökologisches Wirtschaften umzustellen, wäre ein besserer Verdienst dieser Höfe. Aber solange die Ökohöfe noch weniger verdienen, fällt die Umstellung schwer.“
Kritik an Künasts Bilanz kam gestern vom Deutschen Bauernverband. Die „Wendepolitik“ verunsichere die Bauern und verhindere Investitionen. „Inzwischen fehlen 2,5 Milliarden Euro und 50.000 Arbeitsplätze sind in Gefahr“, hieß es. Außerdem erreichten 72 Prozent der Betriebe „keine ausreichende Entlohnung von Arbeit, Boden und Kapital.“ Künasts Ministerium widersprach dem bisher. Das sei der normale Zyklus, hieß es. Und Künast selber erklärte gestern, die „guten Wirtschaftsjahre“ hätten eine Erhöhung des Eigenkapitals auf den Höfen ermöglicht. „Wenn dies nicht in Investitionen umgesetzt wird, liegt dies vor allem daran, dass Verbandsvertreter die wirtschaftliche Lage unserer Landwirtschaft schlechter reden als sie tatsächlich ist.“
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