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Thermoskanne voller Themen

■ Das Fockemuseum lockt in sein neues alphabetisches Schaumagazin. Es steckt in einem thermisch verschalten Kubus und verzichtet auf langweilige Ordnungsmuster

Draußen strahlt der Kubus, drinnen der Christiansen. Der Direktor des Focke-Museums hat endlich seinen würfelförmigen Anbau bekommen, in den das Magazin rein soll – zigtausend Schätzchen, die derzeit noch „unter katastrophalen Bedingungen“ (Jörn Christiansen) vor sich hin lagern.

Damit ist jetzt Schluss. Bis Dezember werden sie aus alten Kellern und Speichern geräumt, in Kältekammern von Holzwurm & Co befreit und langsam in den Würfel geschleust. Dessen Bau und Einrichtung (25 Meter Kantenlänge, eine Terrain-Höhe von 13 Metern, 2.000 Quadratmeter Nutzfläche) haben knapp vier Millionen Euro gekostet – hauptsächlich Stiftungs- und Sponsorengeld. Kultursenator Kuno Böse hatte sich selbst den Glückspfennig für die Grundsteinlegung vom Sparkassendirektor borgen müssen.

Dem Kubus ist's egal, er strahlt, weil ihn Architekt Gert Schulze (Messehallen, Bremer Flughafen) mit einem türkisfarbenen Kupfermantel überzogen hat – stadtgeschichtliches Kupfer sozusagen, dass an Dom- und Rathausdach anknüpfen soll. Die viergeschossige innere Tragekonstruktion ist aus Beton gegossen, und von außen „wie eine Thermoskanne“ mit einer Wärmedämmung eingepackt und gegen Wind, Regen, Schnee und Sonne geschützt – wie Schulze mit liebevollem Stolz hervorhebt.

Ein Stockwerk des Neubaus ist durch „Das verführte Auge“ bereits eröffnet, doch bald soll der ganze Würfel leben. Die Idee: Ein Schaumagazin. Das liegt im Trend. Allerdings: Ob British Museum in London, Kopenhagener Völkerkundemuseum oder das Haus für Ostasiatische Kunst in Berlin – das Problem ist vielerorts der Besuchermangel. Es locken eben keine inszenierten Ausstellungen mit athmosphärischem Licht und spektakulären Akzenten – nur die schiere Masse harrt der BesucherInnen. Und erschlägt sie dann.

Das Ordnungsprinzip ist meistens schlicht. Im Bremer „ÜbermaxX“ etwa – das dummerweise immer noch keine Brücke mit seinem Mutterhaus verbindet, also nur über das CinemaxX zugänglich ist – gibt's auf drei Stockwerken alles zwischen „Asien/Hüte“ und „Afrika/Speere“. Keine Erklärungen, nur ein Computer-Suchprogramm. Unter diesen Umständen gruselt sich auch der gigantisch skeletierte Kroko-Schädel ganz alleine.

Fockes wollen's nun besser machen – „Magazin kreativ“ sozusagen. Christiansen: „Wir erschließen die Welt alphabetisch.“ Von „A“ wie „Anfangen“ (Geburtszubehör, Kindersachen) bis „Z“ wie „Zugrabetragen“. Der I-Raum dazwischen („Inhalieren) wird einen Tabakladen aus den 50-er Jahren beherbergen, bei „X“ („kein x für ein u vormachen“) geht es um Fälschungen.

24 Zimmer soll das ergeben (das „y“ ging leer aus), in denen man nicht in Epochen, sondern grob thematisch flanieren kann. Ein Prinzip, das in seiner Assoziationsfreude womöglich an das Kunterbunt der Kuriositäten-Kabinette erinnern wird, mit denen Fürsten den Grundstock zu musealen Sammlungen legten. Und in seiner Gestopftheit wird das Schaumagazin unvermeidlich an die Museumskonzeptionen vergangener Tage anknüpfen, denen das „weniger ist mehr“ noch ungeflügelt war.

Auch im Überseemuseum überlegt man mittlerweile, das Schaumagazin durch behutsame Inszenierungen lebendiger zu gestalten. „Die nackte Fülle allein zieht keine Besucher“, sagt Andreas Lüderwaldt, kommissarischer Direktor. Möglicherweise weist das Focke jetzt neue Wege. Im vergangenen Jahr hat es sich in Sachen Besucher mit 66.000 an die zweite Stelle hinter das Überseemuseum geschoben (152.000), mit dem neuen Kubus und den Plänen für ein Hafenmuseum im Speicher XI ist weiterer Zuwachs zu erwarten. Mehr Personal haben die Fockes dafür nicht . Aber Ideen. Henning Bleyl

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