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Puterrot, geduzt und ausgebuht

■ Demonstranten sprengen Diskussion mit Beck und Böse / Reaktion auf Abschiebung der El-Zeins

Es hätte ein interessanter Abend werden können. Ausländerbeauftragte und Innensenator waren als Hauptredner zum Start der neuen Volkshochschul-Reihe „Leben mit vielen Kulturen“ gekommen, um über das Einwanderungsgesetz zu diskutieren. Marieluise Beck gegen Kuno Böse, das hieß Grüne gegen CDU, Reala gegen Fundi, Berlin gegen Bremen, Bundes- gegen zweite Liga. Alles war drin, vielleicht auch mehr als ein bloßer Nachklapp des Krachs Regierung gegen Opposition. Schließlich standen sich auf der einen Seite eine klare Fürsprecherin, auf der anderen ein Mann des Ja-Aber gegenüber.

Irgendwie hatten es jedoch alle schon geahnt: Die Kunsthalle war von Polizei umstellt, die Taschen der 250 Besucher, darunter viele Schüler und Jugendliche, wurden gefilzt. Schließlich hatten Protestler schon im Mai 2000 eine Veranstaltung mit dem damaligen Innensenator Bernt Schulte (CDU) im Schlachthof gesprengt, als es um „Innere Sicherheit im städtischen Raum“ gehen sollte. Ein gewisser Serag El-Zein hatte damals unter lautem Beifall eine Erklärung zu Schultes gerade gestarteter Aktion gegen die sogenannten „Scheinlibanesen“ vorgetragen. 500 von ihnen hätten sich, so Schulte damals, unter Vorspiegelung falscher Identitäten in Bremen eingeschlichen, um massiven „Sozialhilfebetrug“ zu begehen.

Der Krach um die Abschiebungen spielt heute noch in Niedersachsen (siehe unten), und auch in der Kunsthalle wurde er zum Hauptthema: Genau einen Tag vor der Diskussion war nämlich Serag El-Zein aus dem Schlachthof zusammen samt Familie in die Türkei abgeschoben worden. Zähes Ringen, Demonstrationen und böse Schlagzeilen in der Bild über das Strafregister der El-Zeins waren vorangangen („Bremens schlimmste Asyl-Betrüger-Familie abgeschoben“) – dabei hat es Urteile gegen sie kaum gegeben. Und Senator Böse hatte immer wieder betont, ihm seien bei den kurdischen Libanesen aus rechtlichen Gründen die Hände gebunden. Basta.

Marieluise Beck konnte gerade noch vom „migrationspolitischen Frühling“ reden, den der Schily-Entwurf zum Einwanderungsgesetz gestoppt habe. Und Böse hätte bestimmt gerne erzählt, dass er in Frankreich und den USA studiert habe, dass er weltoffen sei. Und, dass er selbst Teile des Einwanderungsgesetzes als Staatssekretär in Berlin initiiert hätte, dass er deshalb für Konsens sei.

Doch dazu kam es erst gar nicht: 15 Minuten nach Beginn der Veranstaltung, nach zwei Böse-Sätzen gab es Pfiffe und Buh-Rufe. Die Personenschützer hatten zwar Regenschirme dabei, um den Senator vor Wurfgeschossen zu schützen, gegen die Protest-Schreie waren sie jedoch machtlos: „Böse abschieben jetzt“, „Kuno raus“, „Dann sieht er mal, wie das ist, nichts zu sagen zu haben“, riefen sie und rollten ein Plakat mit dem Slogan „Abschiebung macht böse“ aus.

Böse, puterrot, geduzt und ausgebuht, versuchte noch zweimal, sich Gehör zu verschaffen, grummelte „das kenne ich schon aus Berlin“, dann brach Barbara Loer von der VHS die Veranstaltung ab. Die rund 100 Protestler gingen friedlich und zufrieden zur Spontan-Demo gen Ostertorsteinweg. „Menschen sollten sich durch Worte verständigen. Das hat nicht funktioniert. Da habe ich den Verdacht, dass sie sich nicht verständigen wollten“, sagte Loer. Inzwischen plant sie, die Veranstaltung zu wiederholen. Das Innenressort will das Begehren prüfen. Kai Schöneberg

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