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Nach dem langen Schweigen

Das vor einem Monat in mehreren Bezirken angelaufene Modellprojekt gegen häusliche Gewalt zeigt erste Erfolge. Zwölf Frauen haben sich seit Anfang Januar von prügelnden Ehemännern befreit

von MARIJA LATKOVIC

Auf der Straße hatte sie Angst um ihre Kinder. Zu Hause hatten ihre Kinder Angst um sie. Die Familie lebte mit der ständigen Angst vor Demütigungen, Schlägen, sexueller Gewalt und sogar der Furcht, zu Tode geprügelt zu werden. Zehn Jahre lang schwieg die 32-jährige Frau, aus Scham. Die Hoffnung auf Hilfe von außen hatte sie längst aufgegeben. So wie 5.375 andere Frauen, die im vergangenen Jahr Opfer häuslicher Gewalt geworden sind.

Auf der zweiten Pressekonferenz zum Modellversuch „Platzverweis aus der Wohnung in Fällen häuslicher Gewalt“ stellte Elke Plathe, Kriminaloberrätin der Polizeidirektion 7, gestern unter anderem den Fall der 32-Jährigen vor, die inzwischen beim Familiengericht Schutz beantragte: Sie will die gemeinsame Wohnung für sich und die Kinder. Gibt das Gericht ihr Recht, muss der Ehemann endgültig raus aus der Wohnung.

Möglich gemacht hat das zumindest teilweise das Modellprojekt, das seit einem Monat in den Bezirken Marzahn, Hellersdorf, Hohenschönhausen, Weißensee und Prenzlauer Berg läuft. Ziel ist es, nicht die Opfer aus ihrem sozialen Umfeld zu reißen. Stattdessen soll der Täter gehen. Dass bereits einen Monat nach Beginn eine Pressekonferenz gegeben wird, hat vor allem mit dem Erfolg des Versuchs zu tun. „In den letzten vier Wochen haben wir in zwölf Fällen einen längerfristigen Platzverweis ausgesprochen“, erklärte Plathe. Das bedeutet, den Männern ist für maximal sieben Tage untersagt, in die Wohnung zurückzukehren. In dieser Zeit können die Frauen vor Gericht weiteren Schutz beantragen. Bei Widerstand droht den Ehemännern unter Umständen Haft. Und mit Widerstand muss gerechnet werden. Direktionsleiter Michael Knape berichtete gestern von Männern, die ihre Frauen weiterhin belästigten, ihnen nachstellten und versuchten, sich gewaltsam Zugang zur Wohnung zu verschaffen. Denn die Schlüssel werden ihnen im Fall eines Platzverweises abgenommen.

„Doch bis es so weit kommt, haben die meisten der betroffenen Frauen jahrelang körperliche und seelische Gewalt erduldet“, sagte Plathe. Ein „gehöriges Maß an Überwindung“ sei nötig, um die Gewaltspirale zu durchbrechen. So wie bei der 60-Jährigen, deren Fall gestern ebenfalls vorgestellt wurde. Seit 37 Jahren war sie mit ihrem Mann verheiratet, seit 36 Jahren wurde sie von ihm misshandelt. „Trotzdem weinte sie und bat uns, keinen Verweis auszusprechen“, berichtete der Leiter der Polizeidirektion. „Viele Opfer halten die Familie immer noch für schützenswerter als ihre eigene Gesundheit.“ Doch darauf dürften die 80 am Modellprojekt beteiligten Beamten nicht immer Rücksicht nehmen. Handle es sich um einen Strafbestand, müsse auch gegen den Willen des Opfers ein Platzverweis ausgesprochen werden. Knape verwies dabei auch auf die psychischen Belastungen, die das Modellprojekt für seine Beamten zur Folge hätte: Eine besondere Schulung sei nötig. Immer wieder fanden im vergangenen Monat Besprechungen statt, bei denen Erfahrungen ausgetauscht wurden.

Freitag nächster Woche steht nun ein Treffen mit Leitern anderer Berliner Polizeidirektionen an. Sollte sich am Ende der sechs Monate Probezeit der bisherige Erfolg bestätigt haben, kann das Projekt auf ganz Berlin ausgeweitet werden. Auch auf wohlhabendere Stadtteile wie Dahlem oder Grunewald. Denn häusliche Gewalt ist nicht milieubedingt, stellten die Verantwortlichen gestern klar. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Gesellschaft.

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