: Gebärden eines Verlierers
In Leverkusen verstärken sich die Symptome der Verunsicherung: Nach dem 0:1 gegen Schalke 04 schaut Bayer immer ängstlicher auf die Konkurrenz und mindert schon mal die eigenen Ansprüche
aus Leverkusen ERIK EGGERS
Das graue Gewand des Trainers Klaus Toppmöller, ein edler Zwirn, sollte Souveränität ausstrahlen. Aber nach der 0:1-Niederlage gegen den FC Schalke 04 war’s damit nicht weit her. Die Arme fest vorm Brustkorb verschränkt, die grauen Schläfen gesenkt, die Stimme leiser als sonst. Toppmöller ging in Abwehrhaltung, gerade so, als ob der Coach die Statistik der letzten Spiele nicht an sich heranlassen wollte. Schließlich weist diese in eine ungünstige Richtung: Während die Königsblauen den vierten Sieg in Serie feierten, musste Bayer Leverkusen die fünfte Niederlage im siebten Spiel registrieren.
Natürlich verzichtete Toppmöller, der sich, als seine Mannschaft im Herbst vierzehn Spiele in Folge ungeschlagen blieb, noch als König aller Fußballzahlen präsentiert hatte, aus plausiblen Gründen auf diese Selbsterhöhung. Für ihn zählte auf einmal ein anderes Kriterium: „Noch sind wir sieben Punkte im Plus im Vergleich zum letzten Jahr“, so der Coach. Aber worin liegt der Wert solch eines Vergleichs? Nur darin, dass dem Team, das laut Manager Reiner Calmund „einfach einen Titel verdient“, auf einmal die Qualifikation zur Champions League auszureichen scheint. Bricht sich womöglich eine aus der Not geborene Bescheidenheit Bahn beim selbst ernannten Meisterschaftskandidaten?
Unter dem Bayer-Kreuz werden das sicherlich alle verneinen. Denn es war eine mehr als unglückliche Niederlage, wie auch Gästetrainer Huub Stevens lächelnd unterstrich. Leverkusen besaß klare Feldvorteile gegenüber sehr passiven Schalkern, die sich von auf eine Verbarrikadierung des Strafraums und spärliche Konter kaprizierten. Leverkusen hatte, sehr offensiv eingestellt und im Deckungsverband auf die Zweikampfstärke Nowotnys und Lúcios vertrauend, „alles versucht“, war „aggressiv“ zu Werke gegangen, „wollte kämpfen.“ Selbst Toppmöller räumte hinterher ein, „nicht eine klare Torchance“ sei dabei herausgesprungen, nur – und diese seltsame Vokabel spricht für die momentane allgemeine Verunsicherung – „fünfzehn Freistoßflanken“ (Manager Reiner Calmund). Es war der unbedingte Siegeswille, der Leverkusen abging.
Ein weiterer Hinweis auf die mögliche Titeluntauglichkeit liegt bei den Zuschauern. Wieder verhielten sich die einheimischen Anhänger lustlos. Ob die eigene Mannschaft führt oder hoffnungslos hinten liegt, so etwas lässt sich nie an den Leverkusener Rängen ablesen. „Das war das Erste, was ich nach dem Spiel in der Kabine gesagt habe: dass wir hier ein Auswärtsspiel zu bestreiten hatten“, ärgerte sich auch Toppmöller hinterher. In der Tat: Nicht nur, dass das halbe Stadion in Blau gehüllt war, die Arena durchfluteten fast nur Schalke-Gesänge. Calmund wollte dies nicht als Ausrede gelten lassen, auch wenn Leverkusen mit der „Qualität der Schalker Arena“ nicht zu vergleichen sei, „bei dem Gefechtslärm, der da herrscht“. Ein Standortnachteil in Leverkusen, der wohl so manchen wichtigen Punkt verhindert.
Symptomatisch ist für die Situation, dass Trainer und Manager nicht auf das eigene Team schauen, sondern auf den Spitzenreiter. „Man muss sehen, wie Dortmund die nächsten drei Spiele übersteht“, sangen beide im Chor und meinten die Partien des BVB bei Bayern, zu Hause im Derby gegen Schalke und darauf in der BayArena. Für das folgende Heimspiel gegen Mönchengladbach befürchtet der Trainer indes ein ähnliches Szenario wie gegen Schalke. „Die werden sich ebenfalls hinten reinstellen und auf Konter warten.“ Genau wie im Hinspiel auf dem Bökelberg, nur dass sich Bayer dort verschanzte und überaus glücklich mit 1:0 gewann. Wenn der Samstag spiegelbildlich verläuft, werden wieder nicht unbedingt des Trainers Worte von der Niederlage künden. Aber erneut die Gebärden seines Körpers.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen