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Entspannter Fallrückzieher

Das einzige überregionale Fanzine „11 Freunde“ ist gerade zum elften Mal erschienen. Und will ab sofort im Monatsrhythmus mit Beiträgen zur Fußballkultur und viel Erinnerungsarbeit die Fans aller Vereine über die Woche retten. Ein Spielbericht

von JUTTA HEESS

Einen Vorteil hat es, dass so wenige Menschen 11 Freunde kennen. Verabredet man sich mit dem Macher des Fußballmagazins in einem Berliner Café, dient die neueste Ausgabe als unverwechselbares Erkennungszeichen. Philipp Köster wäre es eigentlich lieber, seine Zeitschrift hätte irgendwann nicht mehr diesen Seltenheitswert. Und alle Cafébesucher würden 11 Freunde lesen. Zumindest die, die sich für Fußballkultur interessieren.

Darum geht es nämlich in dem einzigen überregionalen und vereinsneutralen Fanzine, das ab sofort monatlich erscheint – um Fußballkultur. Darunter fällt so ziemlich alles, nur nicht der letzte Spieltag der Bundesliga. Sondern zum Beispiel der „Theodor im Fußballtor“ und andere Fußballfilme. Oder ein Bericht darüber, dass in Kickerehen die Frauen die Hosen anhaben.

Eine Hommage zum 50. Geburtstag des englischen Stürmerstars Kevin Keegan und ein Gespräch mit Klaus Fischer über seinen legendären Fallrückzieher beim Länderspiel gegen die Schweiz 1977 passen genauso ins Blattkonzept wie ein Interview mit einer Eckfahne und die Erlebnisse eines fußballverückten Flugbegleiters in fernen Stadien. Und im aktuellen Heft beweisen 11 Freunde, dass sie nicht nur wissen, wo des Schiris Auto stand, sondern dass sie auch tiefere Einblicke in Schiedsrichterschicksale geben können. Nicht zu vergessen, die von Philipp Köster nachgeturnten Pfeifengesten in elf Akten.

Zwei Freunde

Köster und sein Kompagnon Reinaldo Coddou H, die sich im Fußballstadion kennengelernt haben, machen das Blatt in Heimarbeit. Die beiden sind Mädchen für alles: Herausgeber, Heftcheneintüter und Aboverschicker. Arbeitsteilung herrscht nur bei Inhalt und Layout: Köster schreibt, Coddou H. macht die Bilder. Jetzt, da die 11 Freunde vom Zwei- in den Monatsrhythmus wechseln, wurde noch eine dritte Hilfskraft verpflichtet: Oliver Samson, bisher als Autor für das Magazin tätig, wurde zum regelmäßigen Mitarbeiter ernannt. Tatsächlich haben die Hobbyfußballer gute Chancen, eines Tages mehr zu sein als nur ein Geheimtippkick. Mit einer Auflage von 25.000 können sie zwar noch immer nicht jeden Fußballstar zum Interview locken. Doch nach dem Spiel ist vor dem Spiel, könnte man meinen, – denn immerhin kommen monatlich rund 100 neue Abonennten dazu. „Hauptsächlich solche, die in den 80er-Jahren vom Fußball sozialisiert worden sind“, zitiert Köster eine Leserumfrage. Oder solche, die sich gerne an Tip und Tap, die Maskottchen der WM 1974, erinnern.

Logischerweise ist die Zeitschrift auch weniger aktuell als nostalgisch. Aber so sind Fans nun mal: „Sie flüchten oft in die Vergangenheit und erinnern sich an Heldentaten ihrer Mannschaft, an legendäre Spiele, an Aufstiegsfeiern.“ Köster und Coddou H., selbst Fans von Arminia Bielefeld und einst Macher des dortigen Fanzines „Um halb vier war die Welt noch in Ordnung“, wissen aus eigener Erfahrung, wie sich das Fußballfieber anfühlt. „Wir wollen in unserem Heft sämtliche Formen dieser Leidenschaft abbilden“, sagt Köster. 11 Freunde wolle den Blick aus der Kurve haben, das Gefühl der Fans auf den Rängen soll auch im Blatt zu spüren sein. „Aber wir wollen auch die Fans über die fußballfreie Woche retten, in der sie bloß Anfeuerungschöre vor dem Spiegel singen, Fußballplatten anhören oder ihr Panini-Album angucken können“, sagt der 29-Jährige.

Rettungsanker für Fans

Was als Rettungsanker in die Fußballwelt geworfen wurde, ist ein lesenswertes Magazin mit kecken Texten und Glossen sowie einer außergewöhnlichen äußeren Erscheinung auf dickem, glanzlosem Papier. 11 Freunde ist eine Mischung aus jetzt-Magazin und Hattrick, dem berüchtigten Freiburger Fanzine, das 1999 eingestampft wurde. Und durch und durch fußballfanatisch: Die Rubriken heißen unter anderem Kurzpass (Meldungen), Gästeblock (Leserbriefe) und Seitenwechsel (Buchtipps). Auf der Internetseitewww.11freunde.de kann man sich einer 11-Freunde-Tippgemeinschaft anzuschließen und kuriose Realvideos runterladen – zum Beispiel die Glanzleistung des jugendlichen Erich Ribbeck, als er bei den Bundesjugendspielen den Start im Staffellauf verpennte.

Erstmals einer etwas größeren Öffentlichkeit bekannt wurden die 11 Freunde durch eine virtuelle Verarsche des Printfußballgottes und Stecktabellenlieferanten Kicker: Sie attackierten ein Forum der Kicker-Internetseite und schummelten der Redaktion eine Reihe alberner User-Namen unter – wie David Bäkamm, Mangst, oder R. Töpper, Wien. Und keiner hat’s gemerkt. Erst als 11 Freunde in ihrer dritten Ausgabe über ihren Scherz berichteten.

„Aber bei allem Spaß haben wir eine grundskeptische Haltung gegenüber dem Fußball-Business, das oft auf Show und Schein aufgebaut ist“, sagt Köster. Undifferenzierte Kritik am Ausverkauf des Fußballs und der Fans – wie sie in den regionalen Fanzines schon eher geäußertwird – findet man in 11 Freunde allerdings nicht: „Wir wollen das auf eine entspannte Art und Weise aufdecken, aber auf keinen Fall skandalisieren.“

Das einzige Skandalträchtige an 11 Freunde ist die Schlusskolumne „Günter Hetzer“. Hier wird – in lockerer Anlehnung an Günter Netzers ehemalige Kolumne in der Sport-Bild – regelmäßig die sportmediale Männersaufkumpanei beschrieben. In der aktuellen Ausgabe treffen sich Günter Hetzer, Gerhard „Delle“ Delling und Waldemar „Waldi“ Hartmann auf dem 50. Geburtstag von Uli Hoeneß. Dort tanzen Felix Magath und Friedhelm Funkel Klammerblues – zum Abschluss wird nackt gerodelt.

Abo-Prämie: Adiletten

„Ich lese alles, bis auf den letzten Buchstaben“ sagt ein Fanzine-Fan der ersten Stunde. Ab sofort lohnt sich für ihn auch das Abo – ist es doch erstmals billiger als der Einzelbezug. Als Prämie winken alte 11 Freunde-Ausgaben, die bereits jetzt unter Kultverdacht stehen. Ähnlich originell waren die allerersten Aboprämien vor knapp zwei Jahren: Adiletten. Nicht unbedingt der beste Fußballschuh, aber selbst mit Badelatschen würden die 11 Freunde sicher eins: Weiterspielen.

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