Katrin auf Korsika

Urlaub als Trip: Dominik Grafs „Der Felsen“ (Wettbewerb)

Die Bilder flirren seltsam vertraut. Der dunkle Sand Korsikas, ausgerollte Badetücher, karge Steinlandschaften, plastikbestuhlte Frühstückscafés. Dominik Graf hat „Der Felsen“ auf DV-Material gedreht. Nicht nur deshalb wirkt manche Sequenz wie gefunden in der Schrankwand eines deutschen Wohnzimmers, wie ein eingestaubtes Urlaubsvideo, verwaschenen Regenbogen im Hintergrund inklusive.

Auf der Mittelmeerinsel beginnt Katrins Odyssee, als ihr Freund sie verlässt, zurückkehren will zu seiner schwangeren Ehefrau. Katrin lässt sich treiben, landet besoffen im Bett mit zwei Touristenpolizisten, in den Armen des jungen Malte, der abgehauen ist aus einem Resozialisierung-Camp für straffällig gewordene Jugendliche. Ihre Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, verwandelt die Urlaubsinselidylle ganz allmählich in einen Horrortrip, lässt ihre eigene fragile Existenz, aber auch die von Malte und dessen kleinen Bruder Kai ganz aus den Fugen geraten.

Doch all die existenzialistischen Krisen wirken trotz minimalistischer Beleuchtung und mitunter wie betäubt an der Kamera vorbeiblickenden Darstellern stets nur wie behauptet, die Charaktere wie leere Hüllen, geworfen in eine überwirkliche Wirklichkeit, die das grobkörnige Material so ausführlich postuliert, dass man schließlich sogar Katrin beim Wasserlassen zusehen muss. Von nicht mehr als einer Taschenlampe beleuchtet rinnt ein echter Pissstrahl an echt korsischen Felsen hinab.

Wackelnd fängt die Handkamera das Schild vor dem Umerziehungscamp ein. „Brave New World“ steht da bunt, und auch sonst scheint es, als würde Graf um jeden Preis die Zuschauer und ihre Assoziationen kontrollieren wollen. Nicht einmal den eigenen Bildern traut er, also erklären unentwegt zwei allmächtige Stimmen aus dem Off nicht nur Luft- und Wassertemperatur, sondern auch: „Sie fühlt nichts mehr“. Dabei ist das, was man hört, doch meist nur das, was man eh sieht oder eigentlich sehen sollte. Womöglich hätte die Differenz zwischen pseudodokumentarischer Inszenierung und dem an eine antike Tragödie erinnernde Geworfensein der Figuren einen spannenden Kontrast abgegeben. Nur, diese Lücke füllt „Der Felsen“ mit fahler Schulmeisterei. THOMAS WINKLER

„Der Felsen“, Regie: Dominik Graf, Deutschland 2001, 116 Minuten