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: Warum noch sparen?

Es ist erstaunlich, wie schnell manche Dinge in Vergessenheit geraten. Als der Spiegel vor einer Woche meldete, die Risiken der Bankgesellschaft würden weitere 5 bis 8 Milliarden Euro betragen, herrschte nur kurz Aufregung. Zwei Tage später war die Sache zugunsten einer anderen Summe wieder vergessen. 6,3 Milliarden Euro, so lautete die Rechnung von Finanzsenator Thilo Sarrazin, betrage das Haushaltsdefizit 2002/2003. Zwei Horrormeldungen, die allerdings in ihrer Wirkung unterschiedlicher nicht sein könnten.

Kommentar von UWE RADA

Seit dem Bekanntwerden des neuen 6,3-Milliarden-Lochs ist mehr noch als bisher vom Sparen, oder besser: vom Kürzen die Rede. Schon zuvor hatte Sarrazin die Richtung vorgegeben, indem er sagte, Berlin habe kein Einnahmen-, wohl aber ein Ausgabenproblem. Wer aber über seine Verhältnisse lebt, muss auch mal einen Schnitt machen. Sarrazins „abartige Summe“ hat mithin den Effekt, dass das „Sparen“ mittlerweile so sehr zum Diktum wird, dass über bestimmte Dinge gar nicht mehr gesprochen wird. Zum Beispiel darüber, weshalb man eigentlich spart.

Ganz anders verhält es sich mit den 5 bis 8 Milliarden in Folge der abenteuerlichen Fondsgeschäfte der Bankgesellschaft. Hier fragt man sich unweigerlich: Warum eigentlich noch sparen, wo doch jeden Tag eine neue Summe ans Tageslicht kommen kann. Eine Summe, die man nicht etwa dem eigenen Saus und Braus (Sozialhilfeausgaben etc.) zu verdanken hat, sondern dem der exklusiven Fondsanleger aus Wirtschaft und Politik.

Als mit Annette Fugmann-Heesing 1995 die Haushaltskonsolidierung oberstes Gebot wurde, gab es große Zustimmung, weil ein Ende der Fahnenstange zumindest in Sicht war. Wenn alles getan sei – und dazu gehörten neben dem Sparen auch die Verwaltungsreform, das Haushaltsstrukturgesetz und die Senkung der Nettoneuverschuldung –, könne man ab 2009 wieder gestalten.

Doch heute ist das Ende der Fahnenstange weniger denn je in Sicht. Wenn es aber kein Ziel mehr gibt, stellt man das Sparen an sich in Frage. Warum soll man mehr für den Fahrschein zahlen, wenn man sichergehen kann, dass das Geld nicht im Sparschwein landet, sondern bei den Profiteuren des Berliner Bankrotts?

Gerade die Milliardenschulden der Bankgesellschaft zeigen, dass es sich hier nicht um einen „Haushaltsnotstand“ handelt, sondern um eine gigantische Umverteilung zugunsten der Fondsanleger. Darüber freilich spricht man weniger gerne als über ein angebliches „Ausgabenproblem“. Auch das ist ein Grund, warum über die Horrormeldung des Spiegel im Vergleich zu der von Sarrazin so wenig geredet wurde.

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