: Strahlenmüll im Blockland?
■ Radioaktive Abfälle in der Restmülltonne bemerkt in Bremen niemand. Denn Messgeräte, sagt die ANO, sind zu teuer. Außerdem: „Was sollen wir mit dem radioaktiven Müll dann tun?“
Es muss nicht gleich ein Castor sein, auch in normalen Restmülltonnen findet sich bisweilen radioaktiver Müll – unerlaubterweise. Während in Hamburg in solchen Fällen Messgeräte am Eingangstor der Müllverbrennungsanlage Alarm schlagen, bleibt es in Bremen still – hier misst niemand.
Im Schnitt alle zwei Monate sind die Hamburger Stadtreinigungsbetriebe in den letzten Jahren auf strahlenden Abfall in ihren Müllautos gestoßen, sagt der dortige Pressesprecher Reinhard Fiedler. Weil die Verursacher meist radiologische Arztpraxen und Labore waren, haben die städtischen Entsorger nun zusammen mit der Ärztekammer die „dringende Bitte“ an die Mediziner gerichtet, Abfälle erst in die Mülltonne zu geben, wenn keine Strahlung mehr messbar ist.
Bei den Bremer Entsorgungsbetrieben (BEB) zeigt man sich ebenso wie beim Müllverbrennungsanlagen-Betreiber ANO überrascht von diesem Hamburger Vorgehen. „Das ist hier kein Thema“, sagt ANO-Sprecher Michael Drost. Vergleichbare Vorfälle wie in der Elb-Stadt, wo verstrahlte Müllautos mehrere Tage „ruhiggestellt“ werden muss-ten, bis die Strahlung abgeklungen war, sind auch den BEB nicht bekannt. Das könnte an fehlenden Messungen liegen: „Es gibt bei uns keine Kontrolle“, gibt Müllheizer Drost zu.
Radioaktiven Abfall über die Restmülltonne zu „entsorgen“, ist auch in Bremen verboten. Was allerdings tatsächlich in die Tonne wandert, weiß niemand. So muss zwar jeder Betrieb, der mit radioaktiven Stoffen hantiert, eine „Umgangsgenehmigung“ beim Arbeitsressort beantragen. Für die Einhaltung der entsprechenden Auflagen zur Ent-sorgung und zum Arbeitsschutz ist das Gewerbeaufsichtamt zuständig, das bei radiologischen Praxen etwa die Menge der angelieferten radioaktiven Substanzen prüft sowie den Entsorgungsnachweis dafür. Für die korrekte Entsorgung der benutzten und damit schwach radioaktiven Spritzen, Lappen und Handschuhe will Strahlenschützer Horst Janku vom Gewerbeaufsichtsamt seine Hand jedoch nicht ins Feuer legen: „Wir setzen uns nicht an jede Mülltonne.“
Strahlendetektoren haben die Hamburger Stadtreiniger nicht allein wegen des medizinischen Strahlenmülls angeschafft. Dessen Radioaktivität nimmt recht schnell ab und sinkt innerhalb von Tagen oder Wochen unter die Nachweisgrenze. „Dann kann man das wirklich als Hausmüll entsorgen“, sagt der Strahlenschutzbeauftragte im Krankenhaus Links der Weser, Heiner von Bötticher. Doch die „black box“-Restmülltonne, so fürchtet man in Hamburg, könne noch ganz andere strahlende Überraschungen bergen. „Unsere Messgeräte sollen das verhindern“, erklärt Pressesprecher Fiedler. „Soweit ich weiß, ist das Stand der Technik.“
ANO-Sprecher Drost widerspricht: „Die Hamburger gehören zu den wenigen, die das machen.“ Über die Anschaffung von Strahlenmessgeräten für die Bremer Müllverbrennungsanlage habe die ANO schon einmal diskutiert. Der Vorschlag sei jedoch aus Kostengründen abgelehnt worden: „Das ist verdammt teuer und nicht vorgeschrieben.“ Auch Drost will angesichts der vielen Firmen, die in Bremen mit radioaktiven Stoffen hantieren, nicht ausschließen, dass in der Verbrennungsanlage im Blockland radioaktiver Müll landet. „Es gibt überall schwarze Schafe – gerade beim Müll.“ Man könne sich jedoch nicht gegen alles absichern. Außerdem: „Was machen wir dann mit dem radioaktiven Müll?“
Vorbild bei der Strahlenvorsorge sind die Bremer Stahlwerke: Nach schlechten Erfahrungen mit radioaktiv belasteten Schrott-Lieferungen hat das Unternehmen schon vor Jahren eine sogenannte Counter-Anlage angeschafft, sagt Gewerbeaufseher Janku. Die entdeckt zersägte Atomkraftwerke bereits im vorbeifahrenden Zug. hoi
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