: Beck für „Auszeit“ bei Zuwanderung
Einen politischen Kälteeinbruch diagnostiziert die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck in der Debatte um das Zuwanderungsgesetz. Der SPD-Experte Wiefelspütz versucht zu beruhigen: Ziel des Projekts sei nicht nur die Zuzugsbegrenzung
von LUKAS WALLRAFF
Auch die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung hat am politischen Aschermittwoch ihre bisher gepflegte Zurückhaltung abgelegt. Bei der Vorstellung der aktuellen Ausländerstatistik redete sich Marieluise Beck ihren ganzen Frust über den Stand der Zuwanderungsdebatte von der Seele. Von dem „migrationspolitischen Frühling“, den es im vergangenen Jahr nach dem Bericht der Süssmuth-Kommission gegeben habe, sei nichts mehr zu spüren. Es sei „verantwortungslos“, schimpfte Beck, dass der Bewusstseinswandel in der Einwanderungspolitik aufgrund des bevorstehenden Wahlkampfs vom Tisch gefegt worden sei. Fast schon flehentlich appellierte Beck an die streitenden Parteien: „Lasst uns bitte wieder zurückkehren zu den rationalen Erkenntnissen!“ Wenn dies wegen des Wahlkampfs nicht möglich sei, empfahl Beck, „lieber eine Auszeit“ zu nehmen.
Dies sei noch keine Absage an ein Zuwanderungsgesetz in dieser Legislaturperiode, betonte sie. Aber besonders optimistisch klingt es nicht, wenn sie vor einer „innenpolitischen Wahlkampfschlacht auf dem Rücken der Migranten“ warnt – und sich über die Forderungen der Union nach einer strikten Begrenzung der Zuwanderung erregt. Unter Fachleuten gehöre es „zum Allgemeingut“, dass die demografische Entwicklung in den kommenden Jahren problematisch werde. Bis 2050 werde die Bevölkerung von heute 82 Millionen auf 59 Millionen schrumpfen. „Pure Begrenzung wäre ein gesellschaftlicher Bärendienst, der die mittel- und langfristigen Entwicklungen ignoriert.“
Der Streit um die Zuwanderung werde durch Argumente geprägt, die „genauso alt wie ideologisch“ seien. So beträfen die umstrittenen Regelungen zum Familiennachzugsalter und zu nichtstaatlicher Verfolgung jeweils nur eine relativ geringe Personengruppe. Von einer „Flut von Ausländern“, wie sie von der Union heraufbeschworen werde, könne keine Rede sein. So lebe von den 708.100 Kindern der in Deutschland gemeldeten Türken gerade mal 1 Prozent – 7.392 Kinder – noch in der Türkei. Auch von der Statusverbesserung, die Rot-Grün für Opfer nichtstaatlicher Verfolgung plant, seien nur etwa 2.000 Menschen betroffen. Das Beharren der Union auf weiteren Restriktionen zeige deshalb, „dass es ihr um etwas anderes geht“.
Geärgert hat sich Beck auch über SPD-Fraktionschef Peter Struck, der die Grünen aufgefordert hatte, auf „Maximalforderungen“ zu verzichten. Struck sei offenbar „schlecht erzogen“, wenn er so mit seinem Koalitionspartner umgehe. Die SPD warnte Beck: „Wer das Zuwanderungsgesetz in ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz verwandeln will, der wird die Grünen-Stimmen nicht bekommen.“ Im Übrigen sei es eine „grenzenlose Selbstüberschätzung, wenn die Sozialdemokraten behaupten, sie kämen ohne uns weiter“.
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, reagierte auf den Auftritt der Ausländerbeauftragten mit Verwunderung. Die Grünen sollten sich „beruhigen“, sagte Wiefelspütz der taz. Frau Beck rate er „zur Mäßigung“, weil sie „als Mitglied der Bundesregierung in einer besonderen Verantwortung“ stehe.
Wiefelspütz versicherte: „Das Zuwanderungsgesetz kann niemals ein Gesetz sein, das nur Begrenzung bedeutet.“ Eine solche Formulierung werde es im Gesetzestext nicht geben. Es werde aber „drinstehen müssen, dass das Gesetz neben anderen Zwecken auch begrenzende Funktionen“ habe. „Als Vertreter einer Volkspartei“ wisse er „genau, was die Menschen im Lande denken, was sie für Sorgen haben“. Deshalb müsse man klarstellen, dass es „in den nächsten Jahren nur wenig oder keine Zuwanderung von mittel oder gering Qualifizierten“ geben werde.
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