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Bis zur letzten Gräte

■ Die Bremer Messe „fish international“ steht im Zeichen der Nachhaltigkeit: Woher soll der ganze Fisch kommen, den die Menscheit verschlingen will?

Adrett sehen sie aus, wie sie mit offenen Mäulern auf Eisbergen liegen: Vom Aal bis zum Zander, von der kleinen Sardelle bis zum gewaltigen Hecht, dazwischen krabbelige Krustentiere und natürlich immer wieder Lachs. Seelachs, Wildlachs, Zuchtlachs, Räucherlachs, Lachsforelle – auf der „fish international“ könnte man den Eindruck gewinnen, in Neptuns Reich herrsche der pure Überfluss.

Stimmt aber nicht. Eine Million neue Fischkäufer habe man im BSE- und MKS-Jahr 2001 gewonnen, frohlockt Messechef Peter Koch-Bodes; der Pro-Kopf-Verbrauch sei um 0,4 auf 13,7 Kilogramm gestiegen. Und damit wäre auch schon das Problem der Branche benannt, denn auch unter Wasser sind die Ressourcen endlich – eine Erkenntnis, die mittlerweile auch der Fischindustrie Kopfzerbrechen macht.

Was also tun, wenn immer mehr Menschen nach den Eiweißlieferanten aus dem Wasser verlangen? Eine Antwort ist die Zucht. Mit Lachs und Krabben vorexerziert, wachsen mittlerweile immer mehr Arten in Bassins heran – nicht nur zur Freude des Verbrauchers. Bei Garnelen zum Beispiel verdarben jüngst Antibiotika den Genuss. „Die vietnamesische Regierung hat das Medikament sofort verboten“, beruhigt Koch-Bodes. „So was ist in einem sozialistischen Staat noch viel leichter durchsetzbar als in einer Demokratie.“

Eine Alternative zum Zuchtfisch: Einfach neue Arten erschließen, die – zumindest in Europa – bisher unbekannt waren. Zum Beispiel der Kingklip: In Südafrika ist er längst Stammgast auf den Tellern der besseren Restaurants, in Bremen wird er derzeit als Neuheit präsentiert. Mit seinem festen, hellen Fleisch ähnelt er dem rar gewordenen Kabeljau. Trifft sich gut, protestierte doch vor der Messehalle der WWF gegen den Kabeljaufang mit Stellnetzen. Dabei, so die Umweltschützer, kämen in der Nordsee jedes Jahr 7.500 geschützte Schweinswale als ungenutzter „Beifang“ um. Ein Imageproblem für den Kabeljau, fanden die Demoskopen vom Emnid-Institut doch heraus, dass drei Viertel aller Deutschen den Kabeljau nur noch kaufen wollen, wenn der Walschutz garantiert wird.

Ein weiterer Shooting-Star der Messe ist der Paiche aus dem peruanischen Amazonasgebiet, der bis zu drei Meter lang wird. Vor ein paar Jahren noch fand er nicht einmal den Weg bis zum Markt in Lima, jetzt wird er weltweit vermarktet. Dabei wäre er fast ausgerottet worden, nun züchten Kleinbauern den langen Fisch, der sich in Peru vor allem roh großer Beliebtheit erfreut.

Aber auch die traditionellen Speisefische bieten noch Reserven: Das Bremerhavener Labor BILB zum Beispiel entwickelte die „Lachswurst“; eine Art Bratwurst aus den Resten, die beim Filetieren zwischen den Gräten hängen bleiben. Ebenfalls aus Resten wird „Lachsöl“ gewonnen, „kaltgepresst“, mit leichtem Fischgeschmack. Was dann noch übrig bleibt, kann Mareile Onodera gebrauchen: Die Österreicherin macht aus Fischhaut Mode und Accessoires nach der traditionellen Methode sibirischer Ureinwohner. Steinbeißer-Portemonnaies, Lachs-Schlipse oder Karpfen-Brillenetuis gehören zu den Standards, die auf der Messe über den Tisch gehen; Korsagen gibt's nur nach Maß. Und in Bremerhaven hatte ihr Label „Yupitaze“ neulich sogar eine Haute-Couture-Schau. Aus der Seestadt stammt noch eine weitere Recycling-Idee: Die Firma Baumgarten presst ausgediente Fischkisten aus Styropor zu winzigen Kügelchen, aus denen zum Beispiel Fahrradhelme gemacht werden. Jan Kahlcke

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