: Schauspielerei ohne Altersschwäche
■ Das Junge Theater Bremen blickt nach zehn Jahren freien Theaterschaffens zurück und voraus
„Manchmal muss man sich einfach die Freiheit nehmen und sich einen Raum erfüllen“. Mit diesem Motto auf den Fahnen zog das Junge Theater Bremen, das 1992 aus einem Jugendclub hervorgegangen war, einen Kellerraum hinter dem Bremer Theater ein. Die taz berichtete damals über die jungen Enthusiasten, die diese muffige und mit Schutt gefüllte Lokalität zu einem Hort der freien Bühnenkunst umgestalteten – da das alte Gemäuer einmal ein Brauhaus war, wurde der Keller als „Brauhauskeller“ bekannt.
1993 zog das Junge Theater dann in einen ehemaligen Apothekenbedarfshandel in die Friesenstraße um.
Die Zeiten, in denen die Finanzierung der Gruppe vor allem über Flohmarktverkäufe und Gastauftritte im Kaufhaus Horten lief, waren vorbei. Geldbeschaffung spielte aber weiterhin eine zentrale Rolle, denn auf städtische Förderung konnte das Ensemble damals nicht bauen. Die Kultursenatoren, damals erst Henning Scherf und dann Helga Trüpel, so erinnert sich Theatergründer Carsten Werner, erklärten Existenzgründungen dieser Art für unerwünscht, die Konkurrenz für bereits bestehende freie Gruppen kontraproduktiv. So suchte das Junge Theater nach Sponsoren und erhielt dafür prompt einen Rüffel in der Zeit. Sponsoring galt zu Beginn der 90er-Jahre noch als unfein. Im Spielplan standen Klassiker wie Samuel Becketts „Endspiel“ neben Uraufführungen wie Feridun Zaimoglus „Kanak Sprak“.
Sieben Jahren später stand ein weiterer Ortswechsel an. Nach einer Übergangszeit als „mobiles Theaterlabor“, das in Buchhandlungen, Kinos und Parkhäusern spielte, nistete sich die Mimen-Truppe hinter den Stahltüren des Güterbahnhofstors 48 ein.
Im April nächsten Jahres ist auch das Geschichte. Der Mietvertrag läuft aus. Doch eine neue Heimat für die Junge Theatertruppe ist bereits in Sicht: Das bunte Programm, das jetzt noch zwischen Bahngleisen stattfindet, soll dann im neugeschaffenen Kunstzentrum Schwankhalle zu sehen sein.“
„Ich würde mir für Bremen wünschen, dass es ähnlich jungen und wahnsinnigen Menschen heute leichter gemacht wird als uns“, überlegt Werner. Das Junge Theater jedenfalls habe es trotzdem geschafft, während für andere freie Ensembles mittlerweile der letzte Vorhang gefallen sei.
So blickt Carsten Werner anlässlich des Jubiläums auch nicht vorrangig zurück. Lieber deutet er zukünftige Projekte an. So soll es verstärkt Kooperationen mit freien Theatern aus anderen Städten geben, etwa eine Produktion der Berliner Chanteuse Cora Frost, die dann an der Spree und an der Weser laufen soll.
Bei allem planerischen Eifer: Das Feiern wird am Güterbahnhof keineswegs vergessen. Am 23. Februar findet im Anschluss an die „Alfons-Show“, eine musikalische Revue mit dem beliebten französischen NDR-Reporter Alfons (Emanuell Peterfalvi), eine CD-Release Party statt. In Zusammenarbeit mit Radio Bremen ist eine klingende Dokumentation der zurückliegenden Dekade entstanden. Tim Fischer und Cora Frost sind ebenso zu hören wie Aufnahmen aus Produktionen wie Tom Waits Freischütz-Adaption „The Black Rider“. Manch abenteuerliche Aufnahme sei darunter, verrät Peter Schulze vom Bremer Rundfunksender, selbst zufällige Kasetten-Mitschnitte seien teilweise verwertet worden.
Überraschende Kontraste werden ein Markenzeichen des Jungen Theaters bleiben. Auf die schrille „Alfons-Show“ folgt im März die nächste Eigenproduktion: Marius von Mayenburgs „Parasiten“, für Regisseur Ralf Knapp „eines der schwärzesten und zynischsten Stücke, mit denen wir uns bisher beschäftigt haben“. Das will angesichts der künstlerischen Auseinandersetzung mit Werken wie Mark Ravenhills „Shoppen & Ficken“ schon etwas heißen.
Etwas scherzhaft sinnierte der bald 40-jährige Ralf Knapp darüber, ob das Junge Theater sich irgendwann umbenennen müsse. Mit zehn Jahren ist man aber eigentlich noch nicht alt, sondern eher vorpubertär. Christoph Kutzer
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