Nachgewischt
: Schwamm drüber

■ Bremerhaven beerdigt seine Rechnungsprüfungs-Affäre

Showdown in Bremerhaven: Die Grünen hatten eine Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung wegen der „Rechnungsprüfungs-Affäre“ beantragt. Mit einem Misstrauensvotum wollten sie den Vorsteher Artur Beneken (SPD) zu Fall bringen. Der hatte so lange erklärt, nichts von einem unsittlichen Vertrag zu wissen, den der Leiter des Rechungsprüfungsamtes unterschreiben sollte, bis eine zweite Version mit seinen Anmerkungen auftauchte. Die Frage nach Benekens Verhältnis zur Wahrheit spielte gestern Nachmittag allerdings kaum eine Rolle. Entsprechend leicht fiel es der großen Koalition deshalb, das Misstrauensvotum abzulehnen.

Zweiter Tagesordnungspunkt: Die Wahl von Klaus Rosche (SPD) zum ehrenamtlichen Gesundheitsstadtrat. Pikant: Rosche war ebenfalls in die Affäre um das Rechungsprüfungsamt verwickelt. Er hatte in einem „Gütegespräch“ seinerzeit den umstrittenen Vertrag aus der Tasche gezogen, mit dem die Prüfstelle gegängelt werden sollte. Gestern hievte ihn die große Koalition dennoch in das eigens für ihn geschaffene Amt.

Pünktlich einen Tag vor der Sitzung hatte die Bremer Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den ehemaligen SPD-Fraktionschef eingestellt – „in Rekordzeit“, wie CDU-Fraktionschef Paul Bödeker bemerkt. „Ich war erst am Montag zur Vernehmung.“ Kein Zufall: Rosches Anwalt hatte sich beim leitenden Oberstaatsanwalt Jan Frischmuth erfolgreich für eine eilige Entscheidung eingesetzt. Rosche wurde der versuchten Nötigung gegen den Leiter des Rechnungsprüfungsamtes Rainer Mattern beschuldigt. Frischmuth geht in seiner Einstellungsbegründung jedoch davon aus, dass Rosche den Inhalt des Vertragswerks nicht kannte.

Von wem er das Papier erhalten hatte, will Rosche allerdings weiterhin nicht sagen. Muss er auch nicht, denn Frischmuth will auch den Autor des Papiers nicht belangen: Der Vertragsentwurf sei nicht eindeutig gehalten. Einzelne Bestimmungen könnten zwar als „inhaltliche Beschränkungen“ der Rechnungsprüfung aufgefasst werden, es könne sich aber auch um reine Verfahrensregeln handeln, die die Befugnisse des Amtes nicht berührten, begründet der Staatsanwalt seine Entscheidung. Für letztere Interpretation spreche, „dass ein vertraglicher Ausschluss zwingender gesetzlicher Vorschriften nichtig und damit ein völlig wertloses Papier entstanden wäre.“

Verwaltungsrechtlich habe er „höchste Bedenken“ gegen das Vertragswerk, erklärte Frischmuth gegenüber der taz. Aber im Strafverfahren müsse er den Sachverhalt im Zweifelsfall zu Gunsten des Beschuldigten werten. Und da sei im vorliegenden Fall zwar eine Nötigung gegeben, aber keine „verwerfliche“ – und nur die sei mit Strafe belegt. „Wenn Sie so wollen, haben wir es mit einem Fall von Mobbing zu tun“, sagte der Jurist, „und das ist nicht strafbar.“ Strafrechtlich ebenfalls nicht relevant erschien Frischmuth ein weiterer Passus: Mattern sollte sich schriftlich verpflichten, sich aus Bremerhaven wegzubewerben, also seinen eigenen Rauswurf unterschreiben.

Nun gibt es nur noch eine Chance, die Affäre aufzuklären: Am Montag wollen die Grünen entscheiden, ob sie einen Untersuchungsausschuss der Bremischen Bürgerschaft verlangen.

Jan Kahlcke