: Enthusiasmus, dynamisch
Auch für ihn war der Kauf eines Amiga-Computers der Einstieg in die elektronische Musik: Morgen Abend kickt Alexander Kowalski, der gerade bei Kanzleramt sein zweites Album veröffentlicht hat, mit Raz Ohara das OstGut
Kanzleramt, so hieß vor zehn Jahren eine kleine Techno-Kneipe in einem kleinen Ort nahe Frankfurt. Die Inhaber waren zwei Brüder, und als die Kneipe schließen musste, gründete einer von ihnen, Heiko Laux, ein Label und nannte es auch Kanzleramt. Das Label etablierte sich zu einer wichtigen deutschen Plattform für elektronische Musik. Einen einheitlichen Sound gibt es auf Kanzleramt nicht.
Die individuellen Stile der einzelnen Produzenten werden letztendlich von einer übergreifenden Klangästhetik zusammengehalten. Die liegt nicht im puren Bassdruck, der für deutsche Produktionen oft typisch ist. Es ist ein starker amerikanischer Einfluss, der bei Kanzleramt-Veröffentlichungen immer zu hören ist. Minimale, funky Techno- oder Electro-Beats, über die sich Chords und Synthesizer-Flächen ziehen. Manche Stücke sind dabei so warm, fast poppig, dass der Hörer sie nicht mehr vergisst. Der Berliner Alexander Kowalski produziert solche Stücke und wird einige davon morgen Abend im OstGut spielen; bei der Record Release Party seines neuen Albums.
Alexander Kowalski ist ein Sympathischer. Umgeben von vielen Geräten erzählt er in seiner Friedrichshainer Wohnung von sich und seiner Musik. Zwischendurch springt er auch auf und wirft die Maschinen an, um einen Beat genauer zu erklären. Dann guckt er enthusiastisch und wackelt lustig mit dem Kopf im Takt. Wie für viele andere Produzenten war der Kauf eines Amiga-Computers auch für ihn der Einstieg in die elektronische Musik. Das war vor ungefähr zehn Jahren. Er entdeckte das installierte Musikprogramm, probierte es aus und wollte herausfinden, wie diese Musik funktioniert. „Irgendwann wird man dann süchtig“, sagt er, „man weiß mehr, produziert besser und möchte immer besseres Equipment.“ Über einen Bekannten bekam er die Chance, im bekannten Club Tresor aufzutreten. Aus dem Live-Set ergab sich wiederum ein Beitrag für eine Compilation des hauseigenen Labels. Damals spielte er noch harten Detroit-Techno, „Brettersound“, wie er ihn nennt.
Über Tresor kam er vor zwei Jahren zu Kanzleramt. Letztes Jahr erschien sein Debütalbum „Echoes“. Hier verband Kowalski funkigen Techno, wie man ihn aus Amerika kennt, mit groovigen House-Elementen. Die hybriden Stücke aus Techno und House bildeten den perfekten Konsens und brachten ihm Anerkennung aus unterschiedlichen Lagern. Auf seinem zweiten Album geht er in eine andere Richtung. „Progress“ heißt das Album. Hier sind die Genres nicht vermischt. Die einzelnen Stücke konzentrieren sich auf ihre House- oder Techno-Elemente. So stehen dunkle, hypnotische Techno-Tracks neben locker aus der Hüfte groovenden House-Stücken, die von hymnischen Flächen durchzogen sind. Dadurch ist die Platte sehr abwechslungsreich. Alexander Kowalski wollte schon lange gern House produzieren, meint er lächelnd, doch erst jetzt traue er sich, diese Seite auszuleben. Dadurch sei das Album persönlicher und irgendwie ehrlicher.
Auch mit einem Sänger wollte er seit langem arbeiten. Privat hört er ohnehin vorwiegend Rockmusik, wo Gesang ein wichtiger Bestandteil ist. Sein Verlag setzte ihn mit Akustikgitarren-Rocker Raz Ohara von Kitty-Yo in Verbindung. Zusammen nahmen sie „All I Got To Know“ auf, eine glitzernde House-Hymne mit Popsongstruktur. „Eigentlich waren mehrere Stücke geplant“, erzählt er, „aber dazu reichte die Zeit nicht aus.“ Da beide sehr voneinander begeistert waren, beschlossen sie stattdessen zusammen einen Live-Act zu machen. „Wir haben uns also mein Live-Set angeschaut, um zu sehen, wo man singen kann. Raz hat dann Texte geschrieben und jetzt probieren wir gerade, unseren gemeinsamen Stil zu finden.“ Dadurch entstehe eine neue Dynamik in der Musik, meint Kowalski. „Wenn ich alleine spiele, kicke ich die Leute mit den Breaks. Das kann Raz jetzt mit den Vocals machen“, sagt er und betont, dass es bei Techno eben nicht immer nur um die Bassdrums gehe. KATJA HANKE
Morgen ab 24 Uhr im OstGut, Mühlenstr. 26/30, Friedrichshain: Alexander Kowalski feat. Raz Ohara, außerdem Heiko Laux, Cora S. u. a.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen