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„Hier geht es zu wie bei den Moslems“

Ein kostenloses Anzeigenblatt veröffentlicht auf der Jugendseite einen Text in völkischer Diktion – ohne auf große Proteste zu stoßen. Der Herausgeber sieht sich „als Querdenker“, der Jugendliche „selbst zu Wort kommen“ lassen will

HALDENSLEBEN taz ■ Die Überschrift ist eindeutig. Man solle „Türken schächten, nicht Schafe“ lautet die Aufforderung, die im vergangenen Monat rund 16.000 Mal im sachsen-anhaltinischen Ohrekreis verbreitet wurde. Nicht in einer neonazistischen Propagandapostille, sondern in einem kostenlosen Anzeigenblatt namens Skep-Ticker erklärt der Autor den Lesern in völkischer Diktion, dass „Moslems gefälligst nach Hause gehen“ sollen und es in Deutschland „zugeht wie bei den Moslems“.

Zeitungsmacher Jörg Hundertmark, der das monatliche Anzeigenblatt seit sechs Jahren im Selbstverlag herstellt, sieht in dem Artikel kein Problem. Stolz verweist er darauf, dass sein Blatt im Gegensatz zur regionalen Konkurrenz neben Werbung von mittelständischen Unternehmen, Versicherungen und Autohäusern einen fast 50-prozentigen Anteil an redaktionellen Beiträgen aufweise. Zumeist greift der 39-jährige Selfmade-Unternehmer selbst zur Feder, um überhöhte Abwasser- und Müllgebühren zu beklagen oder vermeintliche Bauskandale bei der Renovierung des Haldenslebener Rathauses aufzudecken.

Selbstbewusst sagt Hundertmark, er sei „ein parteiunabhängiger Querdenker“, der mit seinen redaktionellen Beiträgen auf Missstände in der Kommunalpolitik aufmerksam machen wolle. Den fraglichen Artikel allerdings habe er nicht selbst geschrieben, sondern ein 19-Jähriger. Der Jugendliche gehöre zu einer Gruppe von jüngeren Leuten, deren Beiträge der Zeitungsmacher auf einer eigenen Seite namens „Kids-Ticker“ veröffentlicht, um die Jugendlichen „selbst zu Wort kommen zu lassen“. Er habe den Artikel nicht so genau gelesen, behauptet Hundertmark weiter, und auch die Überschrift lediglich übernommen. Die sei vielleicht „etwas unter der Gürtellinie“ und würde in der Februarausgabe des Blattes daher mit einer „Klarstellung“ kommentiert werden. Im Übrigen gebe der Artikel „eine Meinung wieder“ und rege zur Diskussion an.

Lediglich aus Kreisen der katholischen Kirchengemeinde der 22.000-Einwohner-Stadt Haldensleben habe es bislang eine Beschwerde wegen des Textes und seines Inhalts gegeben, berichtet Hundertmark. Ansonsten habe er keine Reaktionen von seinen Anzeigenkunden und der Leserschaft, die das Blatt in den Supermärkten und Läden mitnimmt oder direkt in den Briefkasten geliefert bekommt, erhalten. Beim Landratsamt in Haldensleben erklärt Pressesprecher Uwe Baumgart, er habe das Blatt und den fraglichen Artikel zwar gelesen. Rechtliche Schritte wolle man aber nicht einleiten. „Wir als Landkreis sind davon nicht betroffen.“ Wolfram Stender, Referent für politische Bildung beim Verein Miteinander e. V. hält den Artikel und die Überschrift jedoch „für einen indirekten Aufruf, türkische Mitbürger zu töten“. In einem Landkreis, in dem Migranten gerade einmal 1,27 Prozent der 110.000 Einwohner ausmachen, würden die rassistischen Bilder des Autors „die Veröffentlichung der nichtöffentlichen Meinung“ darstellen.

Seit längerem beobachtet Miteinander e. V. eine Zunahme von rechtsextremen Haltungen unter Jugendlichen in der Region, in der so genannte Freie Kameradschaften sich um eine rechte Hegemonie in der Jugendszene bemühen. Während Miteinander e. V. derzeit rechtliche Schritte gegen Zeitungsmacher Jörg Hundertmark prüft, ist bei der zuständigen Polizeidirektion Stendahl schon eine erste Anzeige wegen Volksverhetzung gegen den Skep-Ticker eingegangen. Die sei inzwischen zur Bearbeitung an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden, heißt es. Jörg Hundertmark hat davon noch nichts mitbekommen. Er will weiterhin eine „kritische Zeitung“ machen.

HEIKE KLEFFNER

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