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Koizumi ist für Bush „fähig“

US-Präsident auf Asientour: Noch immer ist Japan ohne Rezept gegen die Wirtschaftskrise

aus Tokio ANDRÉ KUNZ

Als Junichiro Koizumi im vergangenen Juni zum Antrittsbesuch nach Washington reiste, herrschte in Japan Aufbruchstimmung. Tiefgreifende Reformen für eine Revitalisierung der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt hatte Koizumi seinen Landsleuten versprochen. Heute, nach zehn Monaten Reformrhetorik, herrscht unverhohlene Krisenstimmung. Die Börse bewegt sich auf 18-Jahres-Minusrekord, der Finanzsektor wackelt wieder gefährlich, die Handelspartner in USA und Asien beschweren sich über die schnelle Abwertung des Yen.

Die Bilanz: Seit dem Amtsantritt von Koizumi hat sich die wirtschaftliche Situation dramatisch verschlechtert. Die Arbeitslosenquote steht bei 5,6 Prozent und wird in den nächsten Monaten ein Nachkriegshoch erreichen. Firmenpleiten nahmen rasant zu. Im laufenden Fiskaljahr bis zum 31. März werden über 20.500 Unternehmen bankrottieren – ebenfalls ein Nachkriegsrekord – und Verbindlichkeiten von rund 26 Billionen Yen (225 Mrd. Euro) hinterlassen.

Ein besorgter Bush am ersten Tage seines Antrittsbesuchs in Tokio: „Japan braucht tiefgreifende Reformen, eine Restrukturierung; und besondere Aufmerksamkeit verdienen die Problemkredite im Bankensektor.“ Im gleichen Atemzug versicherte Bush seinem „Feund“ Koizumi Unterstützung: „Ich bin überzeugt, dass Ministerpräsident Koizumi fähig ist, das Land aus der Wirtschaftskrise zu führen.“ Das weist darauf hin, dass der amerikanische Präsident diesmal mit öffentlicher Kritik an der japanischen Regierung sparsam umgehen wird, doch hinter verschlossenen Türen werden deutliche Worte gesprochen.

Deutliche Worte sind dringend notwendig, denn Japan befindet sich inzwischen in einer als gefährlich eingestuften Deflationsspirale, die sich in den vergangenen Monaten beschleunigt hat. Die Konsumentenpreise fallen im Schnitt um 2,1 Prozent pro Monat. Die Landpreise sind in den vergangenen zehn Jahren um rund 80 Prozent im gewerblichen Sektor und rund 75 Prozent für Wohnbauland gefallen. Genau so dramatisch war die Vermögensvernichtung an der Börse, die mit einem Stand um 10.000 Zähler nur noch ein trauriger Schatten ihrer Blüte Ist: 1989 stand der Nikkei-Index bei knapp 40.000 Punkten.

Die fallenden Preise haben einen weiteren gefährlichen Effekt: Sie verteuern die Schulden im Privatsektor, in Haushalten und die der öffentlichen Hand. Ein Teufelskreis, aus dem nur ein mutiger Befreiungsschlag heraushilft.

In Tokio herrschte vor der Ankunft Bushs Nervosität. Finanzexperten erwarteten einen neuen Fahrplan für die Stabilisierung des wackelnden Finanzsektors. Doch der ist bisher ausgeblieben. Koizumi wies zwar die Finanzaufsicht an, bis Anfang April die Bankbilanzen genau zu durchleuchten und die Höhe der Problemkredite verbindlich zu beziffern. Ein Schritt, der darauf hinweist, dass die Regierungspartei ein Stabilisierungspaket für den Finanzsektor plant. Derzeit wird von einer Summe zwischen 10 bis 12 Billionen Yen (86 bis 104 Mrd. Euro) gesprochen.

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