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Einsendeschluss bei CDU

Union entdeckt die Basis wieder: Regionalkonferenzen sollen Diepgen-Nachfolge diskutieren. Wer Chef werden will, muss sich bis März melden. Vorerst übernimmt Joachim Zeller die Parteiführung

von STEFAN ALBERTI

Politisch interessiert, konservativ angehaucht und an einer Leitungsfunktion interessiert? Dann ist es Zeit, ein paar Bewerbungsunterlagen zusammenzupacken und mit dem Stichwort „Parteichef“ zu schicken an: CDU Landesverband, Wallstr. 14 a, 10179 Berlin. Denn die Union will ein bisschen Struktur in die Diepgen-Nachfolgediskussion bringen. „Anfang März sollte Einsendeschluss für Kandidaturen sein“, sagte Landesvorständler und Fraktionsvize Mario Czaja gestern der taz. Die Bewerbungsschreiben sichtet dann der kommissarische Landeschef der Union, Joachim Zeller.

Den Bezirksbürgermeister von Mitte hat der Parteivorstand gestern Abend bei einer Sondersitzung einstimmig gewählt. Parteisprecher Matthias Wambach attestierte Zeller eine „integrierende Persönlichkeit“.

Sechs Regionalkonferenzen in den Bezirken sollen die Bewerbungen laut Czaja bis zu einem Sonderparteitag Ende Mai diskutieren. Seine Vorstellungen decken sich mit denen von CDU-Fraktionschef Frank Steffel, der eine ergebnisoffene Diskussion an der Basis forderte. „Man fängt mit dem Fundament an, nicht mit dem Dach“, sagte Steffel der taz. Glaubt man Fraktionskollegen, zimmert Steffel aber schon längst auf höheren Etagen an seinen eigenen Ambitionen. Die mochte er auch gestern weder bestätigen noch dementieren: Er sei voll ausgelastet, sagte er zum wiederholten Mal.

Einsendeschluss-Forderer Czaja, im Fraktionsvorstand schon mal im Clinch mit dem Chef, wandte sich gestern öffentlich gegen Steffel als Landesvorsitzenden: Er forderte, Partei- und Fraktionsvorsitz angesichts der Fülle der Arbeit zu trennen.

Eher ausweichend wie Steffel äußerte sich Günter Nooke, seit Samstag Spitzenkandidat der Berliner CDU für die Bundestagswahl. Der Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagte zwar, seine Ambitionen gingen nicht in diese Richtung, dementierte aber auch nicht seine Bereitschaft zur Kandidatur.

Auch Christoph Stölzl, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, mochte sich nicht auf ein klares „Ja“ oder „Nein“ zu einer Kandidatur festlegen. Er warf dem Expartei- und -Regierungschef Diepgen im Inforadio schwerwiegende Fehler vor: Der habe die CDU über die Krise der Bankgesellschaft nicht ausführlich unterrichtet und es später versäumt, öffentliche Reue zu äußern. Ob Diepgen, als Spitzenmann auf der CDU-Landesliste am Samstag durchgefallen, als Direktkandidat im Wahlkreis Mitte zur Bundestagswahl antritt, blieb gestern offen.

Auch um Joachim Zeller als kommissarischen Parteichef gab es gestern Diskussionen, aber bei anderen Parteien. Denn PDS und Grüne im Bezirk Mitte hatten den CDU-Mann bei der Wahl zum Bezirksbürgermeister unterstützt. Im Gegenzug war Zeller als Generalsekretär der Union zurückgetreten, um überparteilicher arbeiten zu können.

Mit Zeller als Übergangschef der CDU-mochte sich die PDS-Fraktionschefin in der Bezirksverordnetenversammlung, Sylvia Jastrzembski, noch abfinden, wenn auch mit Bauchschmerzen. „Als Dauerlösung ist das aber untragbar“, sagte sie der taz. Grünen-Fraktionssprecher Frank Bertermann wollte den Christdemokraten nicht die Personalpolitik diktieren: „Deswegen werden wir ihn nicht abwählen.“ Er kritisierte aber die Doppelbelastung – „Bezirkbürgermeister in Mitte ist kein Halbtagsjob“.

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