: Ein Apparatschik vor Gericht
Der frühere Albanerführer Mahmut Bakalli ist der erste Zeuge im Prozess gegen Jugoslawiens Expräsidenten Milošević
Er steht wieder im Rampenlicht: Mahmut Bakalli, ehemaliger Albanerführer im Kosovo, ist der erste vom UNO-Tribunal im Prozess gegen Jugoslawiens Expräsidenten Slobodan Milošević geladene Zeuge. Gestern Nachmittag sollte er aussagen.
Wer die Stadtvilla des 66-Jährigen in Priština besucht, fühlt sich in ein Jagdschlösslein versetzt. Die Innenwände sind aus feinstem Holz, blank geputzte Flinten hängen an den Wänden und aus allen Ecken und Winkeln schauen einen unzählige Trophäen an, ausgestopfte Fasane, Kraniche und Steinadler. Des Jägers ganzer Stolz aber ist ein präparierter Braunbär, den er „eigenhändig“ erlegt habe, damals, als das Zentralkomitee noch gemeinsam jagen ging, zusammen mit dem Genossen Tito.
Bakalli lebt in einer längst vergangenen Welt. Zwischen 1974 und 1981 war er einer der mächtigsten Männer im damaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien. Er war der allmächtige Parteichef des Kosovo und er regierte mit eiserner Hand. Wer sich gegen ihn stellte, landete schnell im Gefängnis. Auf sein Konto gingen mehrere große Verhaftungswellen gegen kritische Kosovoalbaner und angebliche Mitglieder „separatistischer Gruppen“ und „stalinistischer Enver-Hoxha-Anhänger“.
Bakalli war ein treuer Gefolgsmann des jugoslawischen Staatsgründers Josip Broz, genannt Tito. Doch als dieser 1980 starb, war auch seine Stunde gekommen. Obwohl loyal zur Belgrader Führung, war er, als Albaner, den serbischen Politikern ein Dorn im Auge. Und als im März 1981 tausende unzufriedene Studenten und Jungarbeiter durch die Straßen Prištinas zogen und größere Autonomie für das Kosovo forderten, hatte Serbien endlich einen Grund, den Albanerführer abzusetzen.
Bakallis Verteidigungsmanöver, die Aufmärsche nachträglich als „antijugoslawisch“ zu brandmarken und das Hoxha-Regime in Albanien für den Protest verantwortlich zu machen, verfehlten ihr Ziel. Es gelang dem Albanerführer nicht mehr, gemäßigte Kräfte in der Partei um sich zu scharen und einen Reformprozess in Gang zu setzen. Am 4. Mai 1981 musste er seinen Hut nehmen, verachtet bei den Bundesgenossen, verhasst bei der heimischen Bevölkerung.
Der Name Bakalli stand für viele Albaner seitdem für Unterdrückung und Unfreiheit. Er war für sie der Inbegriff des Apparatschiks, für den die Partei alles war und das Volk nichts.
Erst in den vergangenen Jahren verflüchtigte sich das Negativimage, als Bakalli mehrfach von westlichen Diplomaten aufgesucht und einmal von der damaligen US-Außenministerin Madeleine Albright zur Audienz gebeten wurde. Denn eines zeichnet Bakalli gegenüber allen anderen politischen Führern des Kosovo aus: Wie kein Zweiter kennt er die serbische Mentalität und die Strukturen der Macht.
Der Albaner ist einer der wenigen aus dem Kosovo, die das „alte Jugoslawien“ noch kennen und sich ihr ganzes Leben Gedanken um ein konföderatives Zusammenleben der Balkanvölker machten. Anders als die heutigen Albanerführer Ibrahim Rugova von der Demokratischen Liga Kosova oder der UÇK-Mitbegründer Hashim Thaçi hat Bakalli noch Freunde in Belgrad. So weiß er manches über Slobodan Milošević zu berichten, zum Beispiel wie dieser vom kleinen Parteifunktionär zum Staats- und Parteichef Serbiens aufstieg.
ROLAND HOFWILER
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