: Schill unter Beschuss aus Niedersachsen
SPD-Minister Pfeiffer wirft Hamburgs Innensenator vor, bei der Kriminalitätsstatistik „bewusst getäuscht“ zu haben
HAMBURG taz ■ Schon vor dem mit Spannung erwarteten Ergebnis seines Drogen-Haartests hatte Hamburgs Innensenator Ronald Schill gestern Gelegenheit, sein übliches Reaktionsmuster hervorzuholen: „Ungeheuerlichkeit“ und „skandalöser Vorgang“ – Vokabeln, mit denen er seit Wochen hantiert, um den Vorwürfen, die auf ihn niederprasseln, zu begegnen. Diesmal hat Schill den niedersächsischen SPD-Justizminister Christian Pfeiffer als Feind ausgemacht. Pfeiffer wirft Schill vor, bei der Vorstellung der Hamburger Kriminalstatistik „die Öffentlichkeit bewusst getäuscht“ zu haben. Schill hatte im Januar von einem „dramatischen Zuwachs der Kriminalität um 12 Prozent“ geredet – für Pfeiffer ist das ein Horrorgemälde, „um die Kriminalitätsfurcht der Menschen weiter zu schüren“.
Um dies zu untermauern, fuhr der SPD-Minister schweres Geschütz auf: In den vergangenen 25 Jahren habe es „keinen Innenminister oder -senator gegeben, der die Öffentlichkeit derart ungeniert und grundlegend über das Kriminalitätsgeschehen falsch informiert hat“. Tatsächlich hatte Schill unter den Tisch fallen lassen, dass auf vielen Kriminalitätsfeldern die Zahlen im Vorjahr rückläufig waren: Mord, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch von Kindern – überall dort ging die Kriminalitätsrate zurück. Schill dagegen betonte die Bereiche, wo die Zahlen stiegen: Körperverletzung, Diebstahl, Rauschgiftdelikte.
Bereits auf der Pressekonferenz, auf der er die Statistik präsentiert hatte, musste sich Schill mehrfach von seinem neuen Polizeipräsidenten Udo Nagel korrigieren lassen. So hatte Nagel Schill öffentlich darauf hinweisen müssen, dass der 12-prozentige Anstieg vor allem damit zusammenhing, dass die Hamburger Polizei im Jahr 2001 ein großes Betrugsverfahren nach Jahren abschließen konnte – mit allein 27.000 Einzelfällen, die dadurch in die Statistik eingingen. Rechnete man dieses Großverfahren heraus, blieb nur ein Anstieg von 2,6 Prozent übrig.
Dass Pfeiffer als Minister eines anderen Bundeslandes so massiv gegen Schill schießt, ist ungewöhnlich, hat aber eine Vorgeschichte. Pfeiffer war als Kriminologe Vorsitzender der vom damaligen SPD-Senat eingesetzten Hamburger Enquetekommission Jugendkriminalität gewesen. Die Rezepte, die die Kommission der Politik damals empfohlen hatte – Prävention statt Repression, die Stärkung pädagogischer Elemente anstelle rigider Verfolgung –, waren von Schill in Bausch und Bogen abgelehnt worden. PETER AHRENS
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