Globalisierungskritik wird konkret

Attac hat die deutsche Gesundheitspolitik als Thema entdeckt und zieht gemeinsam mit der Gewerkschaftsjugend in den Wahlkampf. Aktionstag für den 14. September geplant. Gesundheitsministerium freut sich über „jeden, der mit uns kämpft“

von ULRIKE WINKELMANN

Attac macht jetzt in Gesundheit. Und weil das ein schwieriges Terrain ist, hat sich das globalisierungskritische Netzwerk mit den Gewerkschaftsjugendorganisationen zusammengetan und die Perspektive etwas erweitert: „Her mit dem schönen Leben!!!“ lautet das Motto des Aktionstags am 14. September, dessen Inhalte gestern vorgestellt wurden.

Bis zu diesem Aktionstag in Köln wollen Attac und die Jugend von IG Metall, Ver.di, IG BAU, Transnet und NGG im Wahlkampf „Zeichen gegen neoliberale Politik“ setzen. Nach der Rentenreform sei nun auch die solidarisch finanzierte Gesundheitsversorgung in Gefahr, erklärte Ver.di-Jugendlicher Ringo Bischoff: „Wir fordern, dass die sozialen Sicherungssysteme erhalten bleiben.“ Betroffen von der drohenden Privatisierung sei „am allermeisten die junge Generation“, die gelte es nun aufklärend zu erreichen.

Gewerkschaften und Attac fürchten, dass das Gesundheitssystem trotz gegenteiliger Behauptungen der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nach dem Modell der Riester-Rente umgebaut wird. Dann würde nur noch ein Teil der Gesundheitsversorgung über die gesetzliche Krankenversicherung laufen; jeder Versicherte müsste zusätzlich Kapital in bestimmte Behandlungen oder eine private Vorsorge stecken – ähnlich wie beim Zahnersatz.

Die Vorstellungen, die dazu derzeit in Parteien und Ärzteschaft kursieren, sind allerdings noch recht vage. Der Hartmannbund etwa hat vorgeschlagen, kleinere Unfälle privat abrechnen zu lassen. CDU und CSU sind sich nicht einig, ob sie das System zerschlagen wollen oder eine höhere Eigenbeteiligung der Patienten schrittweise erreichen wollen, etwa mit Nichtraucherprämien oder einer Zusatzversicherung für Risikosportler. Wer jedoch am Ende definieren soll, was als „Grundleistung“ in die gesetzliche Krankenversicherung und was als „Wahlleistung“ privat abgerechnet werden soll, ist bislang niemandem klar.

Mit solchen Feinheiten freilich hielten sich die Gewerkschafts- und Attac-Vertreter gestern nicht auf: „Egal, wer nach dem 22. September Gesundheitsminister ist, es wird eine Fortsetzung neoliberaler Politk geben“, sagte Attac-Sprecher Philipp Hersel. Das Gesundheitsministerium teilte dazu mit, dass mit Attac „demnächst“ Gespräche geführt würden. „Wir begrüßen jede und jeden, der mit uns gegen die Privatisierung der Gesundheitsversorgung kämpft“, sagte die Sprecherin Annelies Ilona Klug zur taz. „Allerdings kommt das ja mit der SPD sowieso nicht in Frage.“

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