: CDU jetzt doppelt Spitze
Das Rennen um den Landesvorsitz der Berliner Union ist in vollem Gange. Vorn liegen der alte Quereinsteiger Christoph Stölzl und die junge Altlast Frank Steffel. Der eine steht für einen intellektuellen Rechtskurs, der andere für kaum mehr als sich selbst
Er hat keine Hausmacht in der CDU, er passt nicht in eine Ortsverbandssitzung, und überhaupt ist er erst seit einem Jahr in der Partei. Christoph Stölzl ist der einzige prominente Quereinsteiger der Union und der absolute Gegenentwurf zu Frank Steffel, der über die Hälfte seines Lebens in der CDU verbracht hat. Doch wenn die Partei der Empfehlung von Günter Nooke folgt, dem Parteitagsgewinner vom Samstag, wird Stölzl, der Professor, ihr neuer Landesvorsitzender. Und dann wird er merken, dass die Partei kein Politologieseminar ist.
Diesen Eindruck nämlich vermittelt Stölzl bislang. So als ob der Landesvorsitz ein neues Spielzeug ist, das ihm die Partei in die Hände gibt, ohne dass er sich drängt. Er ist ja immer geholt worden, er brauchte nicht groß zu kungeln, um an prestigeträchtige Jobs zu kommen. Die CDU-nahe Welt nahm ihn, den langjährigen Direktor des Deutschen Historischen Museums, als Feuilleton-Chef unter Vertrag, Eberhard Diepgen machte ihn zum Kultursenator, und die CDU-Fraktion setzte ihn nach der Wahlschlappe ins Präsidium des Abgeordnetenhauses. Jetzt ist es Ex-DDR-Bürgerrechtler Nooke, der ihn auf einen neuen Posten schiebt: Stölzl sei mit seinem intellektuellen und biografischen Eigengewicht ein Pfund für die Berliner CDU, könne helfen, „neue Leute hinter uns zu sammeln“.
Stölzl selbst hat zur Dauerfrage nach seinen Ambitionen das Dauerlächeln aufgesetzt. Am Montagabend kam er Histörchen erzählend aus der Sondersitzung des Landesvorstands, dem er gar nicht angehört. Nein, auch dort will er nicht den Finger gehoben haben, und natürlich sagt er nicht, dass er Vorsitzender werden will. Er stellt sogar in Frage, ob der Posten reizvoll sei: In der Opposition werde Arbeit verteilt und nicht Macht, das werde der CDU langsam klar.
Wird er Parteichef, geht die CDU auf einen intellektuellen Rechtskurs, fährt eine harte Linie gegenüber der PDS, die Stölzl im Wahlkampf SED nannte. Als brutalstmöglicher Erneuerer der schwer angeschlagenen Partei ist er nicht vorstellbar, auch wenn er jetzt Diepgen vorwirft, nicht ausführlich genug über die Krise der Bankgesellschaft berichtet zu haben. In seinem Heimatland Bayern, erzählte er vor Monaten, hätte eine deratige Krise zu einer Klausurtagung am Starnberger See geführt – „und sonst zu gar nichts.“
Er hat studiert und promoviert, er ist Fraktionschef geworden und äußert sich zur Bundespolitik. Aber Frank Steffel bleibt der tief aus der Union kommende Raumausstatter aus Reinickendorf. Der Teppichhändler eben, einer der kungeln und damit Geschäfte machen kann. Dummerweise für ihn ist die Berliner CDU zumindest seit Samstag vielschichtiger als ein Flokati, seit die Basis erwachte und auch noch größere Kungler Diepgens Sturz nicht verhindern konnten
Keiner, der was zu sagen hat in der Union, hat Steffel bisher offen für den Vorsitz vorgeschlagen. Öffentlich gibt es schier nur Ablehnung. Es wird knapp für ihn, und dabei steht nicht allein der Parteivorsitz auf dem Spiel. Verliert er, wackelt er auch als Fraktionschef. Dann werden sich jene melden, die jetzt nur halblaut seinen Führungsstil und Umgangston kritisieren.
Nicht er hat für die Union gesprochen, als das Parlament vor der Senatswahl debattierte. Christoph Stölzl durfte ans Mikro, weil an ihm das Etikett „Feingeist“ klebt, und seine Rede druckte am nächsten Morgen die FAZ. Der Stölzl, der ihm jetzt den Vorsitz streitig machen könnte. Sein Gegenpol. Denn auch wohlmeinende Stimmen schreiben Steffel keine intellektuellen Überflüge zu.
Der neue Parteichef soll auch die neue Richtung der CDU symbolisieren, irgendwo zwischen SPD-naher Mitte und strammem Konservatismus. So wünscht man es sich zumindest im Landesvorstand. Steffel ist dabei nicht so ohne weiteres zu verorten. Er ist nicht deshalb ein Rechtsaußen, weil er als Jugendlicher mit diskriminierenden Sprüchen auffiel. Und wenn er sagt, ihm stehe der letzte Christdemokrat näher als der erste Genosse, macht ihn das nicht zum PDS-Hasser. Frank Steffel ist vor allem Frank Steffel, und der glaubt erst mal an sich. „Wo man Frank Steffel kennt, da schätzt man ihn“, ist auf seiner Homepage zu lesen. Der „Kennedy von der Spree“ wollte er im Wahlkampf sein. Nun steht „JF“ auf dem Kennzeichen seines Dienstwagens.
Als CDU-Altlast – schon mit 24 saß er im Abgeordnetenhaus – hätte er noch auf die Diepgen-Klientel hoffen können. Doch die hat er am Samstag bei der Delegiertenkonferenz vergrätzt, als er den Exregierenden zum Rückzug von der Spitzenkandidatur aufforderte. Seine Hoffnung kann nur sein, dass kein anderer antritt. STEFAN ALBERTI
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