: Kampf gegen neue Lauschangriffe
Initiative von Juristen und Betriebsräten fordert ein Gesetz zum Datenschutz am Arbeitsplatz. Datenschutzbeauftragte von Bund und Ländern begrüßen den Vorstoß. Bundestag und -regierung haben Versprechungen bislang keine Taten folgen lassen
von ULRIKE WINKELMANN
Mitarbeiter in Call-Centern müssen unterschreiben, dass sie nichts dagegen haben, wenn ihr Arbeitgeber die Kundengespräche mithört. In vielen Firmen ist unklar, ob die Geschäftsführung mitliest, wenn die Arbeitnehmer e-mailen. Vor ein paar Wochen musste sich die Metro-Handelskette von einem Hannoveraner Gericht davon überzeugen lassen, dass sie ihre Lagerarbeiter nicht per Videokamera dauerüberwachen darf.
„Hätten wir ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz, bräuchte es solche Urteile nicht“, erklärte gestern Peter Wedde, Datenschutz- und Arbeitsrechtsexperte von der Fachhochschule Frankfurt/Main. Zusammen mit dem Offenbacher Rechtsanwalt Horst Thon legte Wedde in Berlin eine entsprechende Erklärung von 60 Juristen, Betriebsräten und Wissenschaftlern vor. Sie fordern die Abgeordneten des Bundestags auf, eigenen Ankündigungen zu folgen und noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz zu schaffen, das die Datenschutzrechte am Arbeitsplatz regelt. „Die bisherigen Vorschriften gleichen einem juristischen Flickenteppich“, erklärte Wedde: Datenschutz- und Betriebsverfassungsgesetz reichten nicht aus, ja enthielten sogar Lücken, in denen auf ein noch zu schaffendes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz verwiesen werde.
Der Bundestag brauche keine Angst vor Stress mit den Arbeitgebern zu haben: „Eine saubere Regelung liegt auch im Interesse der Arbeitgeber“, sagte Thon. Wenn etwa ein Mitarbeiter sich Pornos aus dem Netz herunterlade, könne es der Firma nicht recht sein, wenn die Polizei dann den Server einsammle. Ein Gesetz für den Datenschutz am Arbeitsplatz, wie es seit Anfang der 1990er-Jahre in der Diskussion ist, würde sich jedoch nicht nur mit dem elektronischen Datenverkehr befassen. Seit langem wird von Betriebsräten gefordert, dass der Umgang mit Krankheitsdaten und mit Bewerbungen gesetzlich geregelt wird.
Von den Datenschutzbeauftragten in Bund und Ländern wird die Initiative von Wedde und Thon begrüßt – und zwar „schärfstens“, wie der schleswig-holsteinische Vize-Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert ebenso wie der Berliner Datenschutzbeauftragte gestern erklärte. „Seit fünf Jahren liegt eine fertige Gesetzesvorlage in den Schubladen des Arbeitsministeriums“, sagte Weichert zur taz. Allerdings sei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bislang recht arbeitnehmerfreundlich, so dass „zumindest kein materieller Druck“ zu beklagen sei.
Entscheidend ist, dass auch diejenigen geschützt werden können, die nicht vor Gericht ziehen, hält die Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten, Helga Schumacher, dagegen. „Mit der immer aufgefeilteren Software zur E-Mail- und Internetüberwachung wird der Bedarf nach einem Gesetz jetzt virulent“, sagte Schumacher gestern zur taz. Der Bundesdatenschutzbeauftragte habe in allen Tätigkeitsberichten seit Anfang der 90er-Jahre nach einem Gesetz verlangt. „Dann reagieren Bundestag und Bundesregierung positiv, und ganz bald heißt es aber wieder: ‚Still ruht der See‘“, so Schumacher.
Auch zum letzten, dem 18. Bericht erklärte die Bundesregierung im vergangenen Dezember, sie „anerkennt die Dringlichkeit“ von „Vorschriften, die dem Schutz der Privatsphäre und dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer in der mordernen Informations- und Kommunikationsgesellschaft Rechnung tragen“. Seither basteln die zuständigen Abgeordneten an einer Stellungnahme des Bundestags-Innenausschusses. Warum der Bundestag sich nicht selbst um eine Gesetzesvorlage kümmert, wusste Schumacher gestern allerdings auch nicht zu beantworten.
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