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BEI FRANKREICHS PRÄSIDENTENWAHL DOMINIERT DIE ALTE ELITEWahlgang ohne große Auswahl

So viele KandidatInnen gab es noch nie: 23 Personen wollen in diesem Frühling StaatspräsidentIn von Frankreich werden. Unter ihnen sind vier ÖkopolitikerInnen, zwei Rechtsextreme, drei Linksradikale und je ein halbes Dutzend KonkurrentInnen aus dem Lager der bürgerlichen rechten und linken Parteien.

In eigenartigem Kontrast zu der Flut von KandidatInnen konzentriert sich die öffentliche Debatte gegenwärtig auf nur drei von ihnen. Alle drei sind männlichen Geschlechtes, alle drei befinden sich im siebten Jahrzehnt ihres Lebens, haben ihre Karriere in derselben Eliteschule begonnen und kommen aus der Spitze jenes Apparates, der in Frankreich in den vergangenen Jahren die politischen Geschäfte führte. Über diese biografischen Daten hinaus stechen politische Gemeinsamkeiten ins Auge. So waren Premierminister Jospin und Exinnenminister Chevènement jahrzehntelang Genossen derselben PS – bis Chevènement ausschied, um seine bis heute winzig gebliebene linkssozialistische „Bürgerbewegung“ (MDC) zu gründen, die weiterhin mit der PS zusammenarbeitet. Und so fanden der neogaullistische Staatspräsident Chirac und der sozialdemokratische Premierminister Jospin während der langen Kohabitation, zu der sie das französische Wahlvolk im Jahr 1997 verdammt hatte, in den großen innen-, außen- und militärpolitischen Fragen stets einen gemeinsamen Nenner. Der erwartete Bruch fand nicht statt. Der Einzige, der aus der gedeihlichen Zusammenarbeit ausscherte, ist Chevènement. Sein Austritt aus der rot-rosa-grünen Regierung vor drei Jahren hilft ihm jetzt, sich als fundamentaler Kritiker an der Europa-, an der Sozial- und an der Innenpolitik der beiden anderen Großen zu üben. Als habe er sie weder mitgestaltet noch dazugehört.

In der Präsidentschaftskampagne haben die drei „Großen“ auch ein gemeinsames Hauptwahlkampfthema. Die innere Sicherheit steht sowohl bei den Linken Jospin und Chevènement als auch beim Rechten Chirac an oberster Stelle. Bei so viel Übereinstimmung an der Spitze und so viel Neigung zu Populismus gehen die divergierenden Stimmen aus der radikalen Linken, die in den französischen Wahlkämpfen der vergangenen Jahrzehnte stets eine große Rolle gespielt haben, weitgehend unter. Als hätten fünf Jahre Kohabitation und fünf Jahre rot-rosa-grüner Koalition die großen Widersprüche und Streitereien beigelegt.

Die kommenden acht Wochen bis zu den Präsidentschaftswahlen werden zeigen, ob die Debatte über eine andere Gesellschaft tatsächlich verstummt ist. DOROTHEA HAHN

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