: Das Straßenbild
Die Reklamerezension. Heute: Überall und immer wieder.
Er ist männlich (objektiv betrachtet), er ist modisch (schwarzes Hemd in karriereförderlichem Design mit Nadelstreifenoptik), er gehört zur kommenden Generation (noch spürbar unter dreißig), und er hat zwei brennende Fragen: „Soll ich sie zum Essen einladen? Oder gibt’s noch bessere Geldanlagen?“
Ja, um Himmels willen, Dummerchen, bessere Geldanlagen gibt es natürlich so gut wie immer! Du solltest dann aber, wenn du zum Beratungsgespräch in deine Beraterbank gehst, doch besser einen Schlips tragen und etwas weniger wie ein Bursche aus der Mirácoli-Werbung ausschauen. Und reiß die Augen nicht so auf, das wirkt immer ein bisserl deppert. Sonst bekommst du am Ende noch ein bloß suboptimales Finanzprodukt aufgeschwatzt, und das will so einer wie du doch nun wirklich nicht.
Der andere Teil deines Fragekomplexes ist schwieriger zu beantworten. Da muss ich erst mal eine Runde weinen, das macht mich so betrübt. Dass ein aufstrebender, rundherum spritziger Burschi wie du überhaupt auf so eine Frage kommt! Und ich muss auch noch ernsthaft antworten, denn ich will dir ja helfen. Ich kann doch nicht einfach sagen, kauf dir einen Vibrator, da hast du dein Geld gut angelegt. Es tut mir so Leid. Offen gesagt, du bist ein tragischer Fall, jetzt ist es heraus.
Dein infantilisierter, vor lauter Selbstergriffenheit dir förmlich entglittener Gesichtsausdruck hätte mich gleich warnen sollen. Ein kleiner Schlingel willst du sein und später auf jeden Fall ein ausgewachsener Schwerenöter. Aber weißt du was – warte bitte, ich muss mir gerade noch die Nase schneuzen –, du bist einfach noch zu jung! Wer sich solche Fragen stellen muss, der sollte mit dem Investieren unbedingt noch zehn Jahre warten. Denn der hat ganz offenkundig noch nichts zu investieren.
Hast du dir denn noch nie überlegt, welche Frau sich überhaupt von dir zum Essen einladen lassen will, wenn du nicht einmal ein kleines bisschen verliebt bist? Weißt du denn nicht, dass derjenige, der liebt, gar nicht darüber nachdenkt, ob er mehr gegeben als zurückbekommen hat? Wenn du nicht mit Freuden geben kannst, dann lass es besser sein.
Schau dir doch deine Kollegin von dem anderen Dresdner-Bank-Werbemotiv an! Von der kannst du was lernen. Die fragt sich ganz einfach: „Soll ich jetzt Aktien kaufen? Oder soll ich verkaufen?“ Irgendwie logisch, oder?VERENA KERN
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