: Tanz trotz gebundener Beine
■ „tanz Bremen“ startet in einer Woche – vielleicht zum letzten Mal auf dem bisherigen Niveau. In Zukunft findet das Festival nur noch zweijährig und ohne seine bisherigen hauptamtlichen Organisatoren statt
„Tanzfestivals sind die Sahnehäubchen der Tanzszene einer Region“ sagt Dirk Elwert vom Staatstheater Oldenburg, das dieses Jahr erstmalig als ein Kooperationspartner von „tanz Bremen“ fungiert. Vom 2. bis 10. März wartet das diesjährige „tanz Bremen“ an Spielorten wie Schauspielhaus, Schlachthof, MOKS, tanzwerk oder Stadttheater Bremerhaven mit insgesamt 35 freien und professionellen Tanzproduktionen auf.
Die Zukunft des renommierten Festivals, ursprünglich als „Tanzherbst“ bekanntgeworden, war noch vor eineinhalb Jahren alles andere als rosig: Trotz des Erfolges beim Publikum und enormer überregionaler Beachtung in der Presse in den Jahren zuvor, war der seit Jahren größte Basisfinanzierer, die „Bremen Marketing Gesellschaft“ (BMG), abgesprungen. Die OrganisatorInnen mussten innerhalb von acht Wochen ein völliges neues Programm entwickeln, zögerlich bewilligte die Kulturdeputation 50.000 Mark. Letztendlich retteten Sponsoren wie die Lürssen-Werft, Waldemar-Koch-Stiftung, Gewoba und Sparkasse das Festival. Mit einem Etat von 250.000 statt 380.000 Mark und sehr reduziertem Begleitprogramm verlief „tanz Bremen“ im letzten Jahr dennoch sehr erfolgreich.
Ab jetzt findet das Festival gezwungenermaßen im Zwei-Jahres-Rhythmus statt, ohne langfristige Verträge und ohne institutionelle Förderung von Seiten des Kulturressorts. Die Folge: Die bisherigen Hauptamtlichen, Birgit Freitag und Susanne Schlicher, verabschieden sich nach dem dieses Jahr von der Organisation des Festivals. Es wird schwierig werden, kompetente NachfolgerInnen zu finden. Zusätzlich beschneidet man die Möglichkeiten der Tanzszene Bremens, sich einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, die das Festival mit seiner Platzauslastung von stets über 90 Prozent ihnen bisher jährlich bieten konnte.
In den Jahren, in denen Bremen künftig ohne das Festival auskommen muss, starten in Oldenburg die Internationalen Ballett-Tage; im letzten Jahr fanden aufgrund fehlender Absprachen beide Festivals zum gleichen Zeitpunkt und damit in direkter Konkurrenz zueinander statt.
Ungeachtet aller Schwierigkeiten laufen die Vorbereitungen des in einer Woche beginnenden „tanz Bremen 2002“ auf Hochtouren. Der Festivaletat beträgt in diesem Jahr 310.000 Mark, zusätzlich fördern Institutionen wie das Institut Francais oder das Stockholmer Svedish Institute einzelne Compagnien.
Statt eines tänzerisch-künstlerischen Oberthemas beschloss man in diesem Jahr, drei Aspekte schwerpunktmäßig zu verfolgen: Die Verbindung von Tanz mit Formen wie Performance oder Happening, was einzelne Inszenierungen – wie die der beiden Superstars des aktuellen Tanzes, Jerome Bel oder Thomas Lehmen – weniger wie Choreografien, sondern wie Versuchsanordnungen wirken lassen wird.
Junge TänzerInnen und ChoreografInnen an der Schwelle zum internationalen Erfolg stehen in den Inszenierungen der Gruppen „sui generis“, „EDge“ (SchülerInnen der renommierten Contemporary Dance School London) oder des Tänzers Samir Akikas auf der Bühne. Der dritte Schwerpunkt liegt auf der Vorstellung von Tendenzen der deutschen Tanzszene, die nicht zuletzt durch zwei Gastspiele im Bremerhavener Theater im Fischereihafen präsentiert werden (Dorothea Ratzel/Jochen Roller und Toula Limnaios). An Highlights mangelt es diesmal also noch nicht.
Roland Rödermund
Das komplette Festivalprogramm steht unter www.tanz-bremen.de . Für alle Inszenierungen gibt es noch Karten, die zwischen 8 und 28 Euro, ermäßigt 6 und 23 Euro liegen (Tel.: 36 53 332). Auch der Besuch der Abendkasse lohnt sich, da vorbestellte Karten oftmals nicht abgeholt werden.
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