Fein moussierend und dampfend

Der schnellste Weg, den Berliner Winter-Blues hinter sich zu lassen, ist ein Besuch in der Termaltherme Bad Saarows: Dort kann man im 36 Grad Celsius warmen Wasser der Catharinenquelle genüsslich fläzend vom Frühling träumen

Wenn die Füße Eisklumpen sind, die Schultern vor Verspannung verhärtet und die Gesichtsfarbe ins Gräulich-Gelbliche tendiert, ist Winter in Berlin. Und Wellness-Saison. Denn gegen kältebedingten körperlichen Verfall und die damit einhergehende seelische Vereisung kann man was tun. Sicher, in Berlin gibt es auch Saunen, Dampf- und Schwimmbäder sowie gut ausgebildete Masseure und Wellness-Tempel der Extraklasse. Aber um den Berliner Winter-Blues zu entkommen, muss man eben auch Berlin verlassen. Wie gut, dass es Bad Saarow gibt. Das Örtchen liegt nur etwa eine Stunde mit dem Regionalexpress von der Hauptstadt entfernt. Die sechzig Minuten gehen verdammt schnell rum. Aber immer der Reihe nach.

Als Jan mich anruft und vorschlägt, nach Bad Saarow zu fahren, bin ich alarmiert. Ich denke an feuchte, bakterienbefallene Umkleidekabinen, sengende Haartrockner, Bademeister in Adiletten, Neonbeleuchtung und Fußpilz. Das Hallenbad, in dem ich gezwungen wurde, schwimmen zu lernen, taucht plötzlich wieder auf. Das nackte Grauen. Trotzdem lasse ich mich überreden. Ich packe eine große Reisetasche mit zwei Handtüchern, Bikini, Duschzeug und Fettcreme. Dann treffe ich mich gegen Mittag mit Jan am Alex. Es ist Sonntag, und er hat die ganze Nacht durchgesoffen.

Als wir dem Schaffner unsere Kombi-Tickets Berlin–Bad Saarow und zurück inklusive Drei-Stunden-Thermenbenutzung zeigen, sieht er uns mit mildem Blick an. Jan sagt: „Mir ist peinlich, dass der weiß, was wir vorhaben. Irgendwie ist das indiskret.“ Beschämend, finde ich.

Umsteigen müssen wir in Fürstenwalde. Das geht ratzfatz, der Anschlusszug kommt sofort, und als wir Bad Saarow erreichen, sind wir schon etwas weniger verspannt. Bloß durch die Zugfahrt. Dann betreten wir die Therme, ein herrlich nüchterner Bau, an der Eingangstür hängt ein Schild: „Unsere Kapazität ist im Moment erreicht“ oder so ähnlich. Der Einlass funktioniert wie im übervollen Sage Club: Immer, wenn ein Badegespann rauskommt, dürfen ebenso viele andere Badegegäste rein. Vor uns sind etwa 20 Badegespanne (Familien, Paare, Kaffeekränzchen). Es ist viertel vor vier, und um vier habe ich einen Rücken-Teilmassage-Termin vereinbart.

Ich komme pünktlich. Die Massage ist unschlagbar und kostet 19 Euro. Danach: rein ins Sole-Becken. Schwimmen soll man da nicht drin, deshalb kann man als normal gewachsener Mensch überall stehen. Das Wasser ist wie Sodawasser, fein moussierend und es dampft. Soll gut sein gegen alle möglichen Zipperlein. Es gibt Ecken, wo es blubbert, Unterwasserströmungen und Massagedüsen.

Aber das Beste ist, dass man auch nach draußen kann, durch einen Plastikvorhang, wie er in manchen Supermärkten den Kundenbereich vom Lager trennt. In der Dämmerung ist es am schönsten, dann nämlich ist das Becken beleuchtet, und der Dampf sieht so dramatisch aus wie der Nebel in der Schlussszene von „Casablanca“ – nur dass Humphrey Badehose trägt und ich einen aus der Form geratenen H&M-Bikini.

Nun zum Saunabereich, den wir nackt betreten müssen. An der Tür zur 60-Grad-Sauna steht: „Johannisbeer-Aufguss, wirkt gegen depressive Verstimmungen. Wirkt erotisierend.“ – „Was denn nun? Aphrodisierend oder euphorisierend“, fragt Jan, und wir kichern. Nach der Sauna stellen wir uns todesmutig unter einen Bottich mit kaltem Wasser, kreischen rum, betasten unsere extrem durchblutete Haut, hüllen uns in Handtücher, schlürfen Frischgepresstes und legen uns in den Ruheraum. Zuerst schläft die Konversation ein, dann wir.

Nach einer halben Stunde Schönheitsschlaf probieren wir schnell noch das Unterwasser-Musik-Becken aus, bevor wir uns auf die Abreise vorbereiten. Auf dem Bad-Saarower-Bahnsteig stehen lauter Leute mit entspannten, erschöpften Gesichtern. Im Zug sehen wir uns nur glücklich an. Und der Schaffner kommt uns plötzlich wahnsinnig verspannt vor. JAMIE KNOLL

Am bequemsten reist man mit der Bahn nach Bad Saarow, zumal die DB einen Spezialtarif anbietet: Das „Saarow-Thermen-Ticket“ der DB bietet An- und Abreise nach Bad Saarow-Pieskow ab Berlin, inkl. einer dreistündigen Eintrittskarte für die Therme, für 14,90 €