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In Sri Lanka schweigen die Waffen

Regierung und tamilische Rebellen vereinbaren eine unbefristete Feuerpause. Eine skandinavische Beobachtertruppe wird das Abkommen überwachen. Innerhalb der nächsten sechs Monate sollen Friedensgespräche aufgenommen werden.

von BERNARD IMHASLY

In der Nacht auf Sonntag ist in Sri Lanka ein neuer Waffenstillstand zwischen der Regierung und der tamilischen Widerstandsorganisation LTTE in Kraft getreten. Dies könnte das Ende des achtzehnjährigen Bürgerkrieges mit 63.000 Toten bedeuten. Im Gegensatz zu den abgelaufenen Feuerpausen der beiden letzten Monate ist dieser dritte Waffenstillstand von weit größerer Bedeutung. Er ist unbefristet und gründet auf einem ausführlichen Waffenstillstandsvertrag, der für die beiden Parteien Verhaltensregeln vorschreibt. Deren Einhaltung soll durch internationale Beobachter aus Skandinavien überwachet werden.

Das Abkommen war letzte Woche von LTTE-Chef Vellupillai Prabhakaran und Premierminister Ranil Wickremesinghe separat unterzeichnet und dem norwegischen Vermittler ausgehändigt worden. Der unbefristete Charakter ebnet damit den Weg für die Aufnahme von direkten Gesprächen, um, wie es in der Präambel heißt, „eine Verhandlungslösung im bestehenden ethnischen Konflikt zu finden“.

Das Abkommen verbietet beiden Kampfparteien jegliche offensiven Operationen, erlaubt es den srilankischen Streitkräften aber, die Souveränität und territoriale Integrität Sri Lankas sicherzustellen, „ohne Angriffe gegen die LTTE zu unternehmen“. Damit soll der Möglichkeit begegnet werden, dass, wie früher geschehen, die Rebellen versuchen könnten, über den Wasserweg Waffen in ihr Herrschaftsgebiet zu schaffen. Alle feindlichen Akte gegen die Zivilbevölkerung werden untersagt, und zwischen den militärischen Parteien darf es zu keinen Selbstmordoperationen, politischen Morden und Entführungen mehr kommen. In zeitlicher Staffelung wird es Mitgliedern der LTTE erlaubt, die von der Armee kontrollierten Gebiete im Norden und Osten des Landes zu betreten und dort politisch tätig zu sein.

Die Straße, die den Süden des Landes mit der von der Regierung gehaltenen Halbinsel Jaffna verbindet und die durch LTTE-Territorium führt, wird für den nichtmilitärischen Verkehr geöffnet; dasselbe gilt für die Straße in die Hafenstadt Trincomalee im Nordosten des Landes und die Bahnverbindung nach Batticaloa im Osten. Die Fischer können nun entlang der Küste, mit Ausnahmen festgelegter Zonen, wieder ihrer Arbeit nachgehen.

Umstritten dürfte die Vereinbarung sein, dass die tamilischen Anti-LTTE-Gruppen, die von Sri Lanka mit Waffen ausgerüstet worden waren, innerhalb von dreißig Tagen entwaffnet und später in die Armee eingegliedert werden sollen.

Eine „Sri Lanka Monitoring Mission“, unter Führung Norwegens und mit Vertretern der nordischen Länder besetzt, wird in den nächsten Tagen ihre Arbeit aufnehmen. Zwischen den Beobachtern und den Kampfparteien werden in den sechs betroffenen Bezirken Gruppen lokaler Monitore gebildet, denen es obliegt, mögliche Reibungen auf der untersten Ebene zu lösen. Das Abkommen kann mit einer Frist von vierzehn Tagen gekündigt werden – ein Schritt, den die LTTE 1995 unternommen hatte, als sie einen von Präsidentin Chandrika Kumaratunga ausgehandelten Waffenstillstand beendete.

Diese Reminsizenz ist nicht der einzige Schatten, der auf das neue Abkommen fällt. Kumaratunga sollte auch den jüngsten Vertrag unterzeichnen, doch in letzter Minute kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und Wickremesinghe. Darauf unterzeichnete letzterer den Waffenstillstand. Kumaratunga gab ihrem Ärger mit einem energischen Protest Ausdruck, in dem sie das Vorgehen ihres Rivalen als Bruch der Konsenspolitik geißelte und durchblicken ließ, dass sie nicht mit allen Punkten einverstanden war.

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