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Zählfehler verhindert Grünenwahl

Baden-Württembergs grüne Männer müssen weiter um ihren Einzug in den Bundestag zittern. Weil zuviele Delegierte abstimmen wollten, verschob die Partie ihre Listenaufstellung um sechs Wochen. Wird Winfried Hermann Kriegsgewinnler?

aus Ehingen RALPH BOLLMANN

Seit Wochen fiebern die grünen Matadore aus dem Ländle der Kandidatenaufstellung für den Bundestag entgegen. Der Showdown endete am Wochenende höchst peinlich. Die Qual der Wahl zwischen dem Haushaltsexperten Oswald Metzger, dem Innenexperten Cem Özdemir und dem Parteilinken Winfried Hermann musste wegen eines Formfehlers abgebrochen werden – die Grünen hatten sich schlicht verzählt. Nicht 200 Delegierte, wie es die Satzung vorschreibt, sondern 202 Vertreter hatten die Kreisverbände entsandt. Schuld war ein Computerprogramm, wie der Landesvorsitzende Andreas Braun sagte. „Der Fehler war, dass wir nicht per Hand nachgerechnet haben.“

Schon 1994 mussten die Südwest-Grünen die Wahl der Bundestagsbewerber wiederholen. Damals hatten auch die Mitglieder des Landesvorstands Stimmzettel abgegeben – was allein den Delegierten vorbehalten ist. Entsprechend peinlich war der neuerliche Eklat dem Bundesvorsitzenden Fritz Kuhn. „Wenn das einer anderen Partei passiert wäre“, sprach er in jede der bereitstehenden Kameras, „dann hätten wir Hohn und Spott über sie ausgegossen: Die sollen erst mal das Rechnen üben.“

Der Parteichef muss um seine Nominierung nicht bangen. Bevor die Überzahl an Stimmzetteln aufflog, hatten bereits 80 Prozent der Delegierten für ihn votiert – da ist die erneute Abstimmung, die in sechs bis acht Wochen stattfinden soll, reine Formsache. Die „Verlängerung der Zitterpartie“ beklagte dagegen der linke Kriegsgegner Winfried Hermann, der seinem Fraktionschef Rezzo Schlauch den zweiten Männerplatz auf der streng quotierten Liste streitig machen will. „Ich habe richtig an mir gearbeitet und war optimal präpariert“, sagte er, „und dann kommt diese Nachricht.“

Weiter zittern müssen auch Metzger und der Innenexperte Cem Özdemir. Sie konkurrieren um den dritten männlichen Listenplatz, der noch Erfolgsaussichten verspricht. Metzger bezeichnete den Abbruch der Wahl als „sauberste Lösung“. Özdemir beklagte, durch die verzögerte Kandidatenaufstellung gehe für den Bundestagswahlkampf „wertvolle Zeit verloren“.

Auch die kämpferische Rede, mit der Kuhn seine Grünen auf die Kampagne einstimmen wollte, verpuffte. Viel Applaus bekam der Parteichef für die eindeutige Absage an ein Bündnis mit der PDS. Eine Koalition mit einer derart „etatistischen Partei“ komme für die Grünen „nicht in Frage“. Gleichzeitig verteidigte er die Entscheidung des grünen Bundesparteitags für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Ein amerikanischer Angriff auf den Irak werde allerdings „das Ende der Anti-Terror-Koalition“ bedeuten – damit sei „die Grenze zum Abenteurertum“ endgültig überschritten.

Was Kuhn da noch nicht wusste: Durch das Verschieben des Parteitags kann eine solche Eskalation die Listenaufstellung noch beeinflussen. Sollte sich eine Militäraktion gegen den Irak abzeichnen, würden die Aussichten des Kriegsgegners Hermann gewiss steigen; derzeit werden ihm nur Außenseiterchancen eingeräumt. Dann wird es Metzger auch nicht viel helfen, dass er die Computerpanne gleich zu seinen Gunsten interpretierte: „Man braucht eben Haushälter, die mit Zahlen umgehen können.“

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