: Mehr Rechte gegen Mobilfunkstrahlen
Die Freien Wähler in Bayern wollen Bürgerwünsche erfüllen: Mehr innere Sicherheit, aber kein Transrapid. Sonntag ist Kommunalwahl
MÜNCHEN taz ■ Nicht die CSU, sondern parteifreie Wählergruppen dominieren die Politik in den 2.000 bayerischen Gemeinden. Beim letzten Urnengang vor sechs Jahren errangen Wählergruppen 13.147 Gemeinderatssitze in den kreisangehörigen Kommunen, die Christlich-Soziale Union nur 8.214, also fast 5.000 weniger. Am kommenden Sonntag ist wieder Kommunalwahl im Freistaat.
Die Freien Wähler haben sich diesmal auch zwei Großstadtbastionen vorgenommen. Zum ersten Mal treten sie in München und Augsburg an und wollen damit ihre größten weißen Flecken schließen. In der Landeshauptstadt wären die Freien Wähler beinahe schon an der ersten Hürde gescheitert. Erst auf den letzten Drücker bekamen sie die 1.000 Unterschriften zusammen, die für eine Kandidatur nötig sind.
Ihr Spitzenmann Gerhard Losher passt in keine herkömmliche Schublade. Losher fordert, dass von allen Sexual- und Gewalttätern genetische Fingerabdrücke genommen und in der bundesweiten DNA-Datenbank gespeichert werden. „Das geht über die Forderung der CSU hinaus“, sagt der Oberbürgermeisterkandidat Losher.
Er kämpft mit seinen Freien Wählern aber auch gegen den Transrapid und das mittlerweile beschlossene neue Fußballstadion, beides Lieblinge der CSU. Beim Thema Mobilfunk entpuppen sich die Neulinge als Grüne und plädieren für eine Umkehr der Beweislast. Wenn unerklärbare Krankheiten auftreten, sollten die Antennenbetreiber nachweisen, dass sie nicht durch die Mobilfunkstrahlung ausgelöst wurden. Zwei Hinterbänkler von SPD und CSU sind im Stadtrat bereits zu den Freien Wählern übergelaufen.
Dass die Wählergruppen in Bayern so stark sind, liegt am Wahlsystem. Es setzt mehr auf die Person als auf die Partei. Statt fertige Listen kreuzen die BürgerInnen bis zu 80 Stadtratskandidaten einzeln an. Auch das Häufeln von drei Stimmen für einen Bewerber ist möglich. „Uns wählt man, weil man uns kennt“, erklärt Armin Grein, Chef des Landesverbands der Freien Wähler, dem über die Hälfte aller bayerischen Wählergruppen angehört. Die Anonymität in Großstädten und bei Landtagswahlen bereitet den Parteilosen Probleme.
1998 kandidierten die bayerischen Freien Wähler erstmals für den Landtag und landeten bei 3,7 Prozent – immerhin besser als die FDP mit nur 1,7 Prozent. Bei der nächsten Wahl in eineinhalb Jahren will es die Wählergruppe „sehr wahrscheinlich“ noch einmal versuchen, sagt Grein. Auch in anderen Bundesländern geht der Trend bei den Freien Wählern zur Landtagskandidatur. Grein versucht als Bundesvorsitzender jedoch in Sachsen-Anhalt eine Teilnahme an der diesjährigen Wahl „zu verhindern, damit es keine Schlappe gibt“, wie er sagt. Der unterfränkische Landrat verweist auf die herben Niederlagen der Freien Wähler bei den letzten Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Brandenburg . „Das ist dort noch nicht ausgereift“, erklärt Grein.
Die bayerischen so genannten Frauenlisten schauen jedoch neidvoll auf die Erfolge der Freien Wähler. Im Freistaat zogen sie beim letzten Mal in nur etwa zehn Gemeinde- und Stadträte ein. Diesmal würden rund 20 Frauenlisten antreten, betont Landeschefin Maria Gerstner. Die erste Frauenliste sei vor 25 Jahren in Hirschhaid bei Bamberg auf Anraten eines Kaplans aus dem Katholischen Frauenbund hervorgegangen.
In Oberammergau gab es einen konkreteren Hintergrund. Der Gemeinderat war dagegen, dass verheiratete Frauen an den Passionsspielen teilnehmen. Heute stellt die Frauenliste zwei Gemeinderätinnen, und das Verbot für die Passionsspiele ist längst gefallen.
OLIVER HINZ
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