: Von der Eigenwilligkeit der Objekte
■ Alan Berliner schleicht sich in seinen Filmen in die Konstruktion ein – und scheitert gern an Unvollkommenheit: Nobody's Business und The Sweetest Sound im Lichtmeß
Zwischen Humor und Ironie besteht ein feiner Unterschied: Während der Humor in einer Situation aufgeht und von ihrem Vorhandensein lebt, will die Ironie eine Sachlage kommentierend aufdecken und bloßstellen. Daher ist die Ironie ein Verfahren, das ihren SprecherInnen ein Gefühl des Erhabenseins über eine Situation erlaubt, die sie glauben, erkannt zu haben. Der Humor hingegen gibt einer Begebenheit, sie forcierend, eine neue Richtung. Wer Humor betreibt, stellt sich nie „über die Dinge“, sondern ist immer mittendrin. So gestattet der Humor eine Gemeinsamkeit zwischen BetrachterInnen und Betrachteten.
Diese Geste ist Alan Berliners Filmen eigen. RegisseurInnen haben in ihrem Filmen die Macht, das Objekt ihrer Betrachtung filmisch zu erschaffen. Sie selbst haben meistens unkommentiert hinter der Kamera ihren Ort und sind nur als Blick auf etwas zu erfassen. Doch Regisseur Berliner rutscht in seine Filme hinein. Seine filmischen Schilderungen spiegeln einen Teil von ihm wider.
So nähert sich beispielsweise Nobody's Business der Porträtform an, indem vordergründig eine einzige Persönlichkeit – Alan Berliners Vater – in Interviews ergründet werden soll. Doch Vater Berliner ist weit davon entfernt, sich preiszugeben. Ihn kümmert es nicht, dass laut Andy Warhol jedeR ein Recht auf 15 Minuten des Star-Seins hat. „Mein Leben ist unbedeutend! Finde jemand anderen, den du filmen kannst“, sagt er in dem Versuch, die lästigen Fragen seines Sohns loszuwerden. Was ihm Familie, Army, Heirat, Kinder, Scheidung, Alter bedeuten, geht niemanden etwas an. Durch seine Verweigerung verrutscht das Sujet, wird das Wissen-Wollen seines Sohns überdeutlich.
Die filmische Biographie wird dergestalt zur Konstruktion, an der beide Seiten der Kamera beteiligt sind, ohne sich gegenseitig zu denunzieren oder aufzuheben. Wenn Regisseur Berliner andere Meinungen über seinen Vater heranzieht, ihn mit Familiengeschichte konfrontiert, so bleibt die Eigenwilligkeit des Alten erhalten. „Ich kenne meine Großeltern nicht und werde sie nie kennen lernen“, sagt er, „warum soll ich mich für sie interessieren?“ Sie erlauben sich die gegenseitige Widerlegung, die entgegengesetzte Meinung, so dass am Ende eine vielstimmige Geschichte entsteht, in der beide am Versuch der Vereindeutigung scheitern.
Ebenso widmet sich The Sweetest Sound einer gewöhnlichen Obsession. „Dale Carnegie sagt, der Klang des eigenen Namens sei schöner als 1000 andere“, erklärt Alan Berliner zur Filmbetitelung. Und fährt fort, sein Problem beim Hören dieses Klangs zu schildern. Berliner teilt seinen Namen mit anderen Menschen, die ebenfalls Alan Berliner heißen. Dabei wäre er am liebsten der einzige, unverwechselbare Namensträger.
Was tun? Berliner lädt die anderen Berliners zu einem gemeinsamen Essen ein, erkundet Namensgesellschaften, versucht Herkunft und Auswirkungen seines Namens zu erkunden. Und stößt dabei auf ein Assoziationsgeflecht, das unkontrollierbar wuchert und ihn so – ob mit Namensvettern oder ohne sie – entthront. Wie die anderen seinen Namen empfinden und ihn mit ihm verbinden, ist jenseits seiner Kontrolle. So wird das Sinnbild der Einzigartigkeit, der Name, zur Illusion. Berliner deckt sie auf, ohne sich selbst von dieser Erkenntnis auszuschließen – er ist immer mittendrin. Doro Wiese
beide Filme Do, 20 Uhr, Lichtmeß
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