bettina gaus über Fernsehen
: Die wahre Majestätsbeleidigung

Die CSU ist Bayern - behauptet Stoiber gern. Wer den wundervollen „Bullen von Tölz“ kennt, weiß es besser

Der Wahlkampf hat angefangen, aber irgendwie erwecken alle Akteure den Eindruck, sich dabei selbst furchtbar zu langweilen. Was ja verständlich ist. Schließlich geht es ihrem Publikum nicht anders. Die einschläfernde Stimmung führt dazu, daß niemand so rechte Lust hat, zu streiten. Die meisten von uns sind bereit, alle möglichen Behauptungen als gegeben hinzunehmen, wenn man sie uns nur oft genug erzählt. Daß in Bayern die Landschaften blühen, beispielsweise. Alles hat dort seine Ordnung, die Leute leben glücklich miteinander und ihr Ministerpräsident versteht etwas von seinem Job. Schon recht. Warum soll man darüber mit Edmund Stoiber rechten? Das lohnt doch die Mühe nicht.

Einen Mann - einen einzigen Mann - gibt es, der mag sich mit dieser Legende nicht abfinden. Woche für Woche erzählt er uns, daß sie nicht stimmt. Und er tut das auf so unterhaltsame Weise, daß er jedes Mal ein Millionenpublikum zu fesseln versteht. Das soll ihm erst mal ein Politiker nachmachen - jede Woche! Dabei ist dieser Mann weder besonders witzig noch gar weltgewandt, gebildet oder auch nur im herkömmlichen Sinne attraktiv. Der biedere, redliche Kleinstadtkommissar Benno Berghammer ist sehr dick, was daran liegt, daß er am liebsten Leberkäs oder Schweinsbraten mit Knödeln ißt. Der „Bulle von Tölz“ lebt trotz fortgeschrittenen Alters noch bei seiner Mutter, hat keine Affären und ist auch sonst sehr bodenständig. Seine bayerische Heimat hat er meines Wissens bisher nie verlassen. Vermutlich könnte er sich auch gar nichts Schlimmeres vorstellen. Ein klassischer CSU-Wähler?

Was immer man von der CSU auch halten mag - mindestens ein Erfolg läßt sich ihr nicht absprechen: Diese Emporkömmlinge der Erbmonarchie haben es geschafft, in einigen wenigen Jahrzehnten selbst bei ihren Gegnern die Überzeugung zu begründen, sie und ihr Wohnort bildeten eine unauflösliche, untrennbare Einheit. Davon können Queen und Empire nur träumen. Sie wolle die Klischees über Bayern einfach nicht mehr hören, schreibt eine taz-Leserin. Ihr Dialekt und ihr Dirndl besagten nichts über ihre politische Haltung. Die Frau hat ja so recht. Münchner Räterepublik, Bertolt Brecht, Marieluise Fleisser, Bruno Jonas, Oskar Maria Graf, Lena Christ - es ließe sich noch vieles über Bayern sagen. Aber es glaubt einem eben keiner, nördlich der Main-Linie. Dort hält man den Freistaat mit der CSU für umfassend beschrieben.

Benno Berghammer käme nie auf diese Idee. Dabei interessiert er sich eigentlich gar nicht für Politik. Den Namen der Regierungspartei hat er noch nie in den Mund genommen, auch den Namen des Ministerpräsidenten niemals erwähnt. Er lebt halt so seinen Alltag. Dieser Alltag besteht darin, Mörder zu jagen. Und weil Bayern eben auch so ist, wie Bayern eben ist, geraten (fast) immer die Großkopferten in Verdacht: weil sich im Zuge der Ermittlungen herausstellt, daß Baugenehmigungen illegal erteilt worden sind, daß Wahlen gefälscht wurden, daß Gefälligkeitsgutachten mit Beförderungen belohnt werden, daß der Landrat geschmiert wurde. Die Mörder sind dann im Regelfall doch immer die Gärtner. Aber will das am Ende noch jemand wissen? Der Mord ist verzichtbare Fiktion. Das Umfeld ist bester Dokumentarfilm.

Der Bulle von Tölz heißt in der Welt, die wir für die wirkliche halten, natürlich nicht Benno Berghammer, sondern Ottfried Fischer, und er ist Schauspieler. Die begnadete Ruth Drexel spielt seine Mutter, die kühle und zugleich warmherzige Katerina Jacob seine Kollegin aus Berlin - mit der es übrigens nie zu Stammeskämpfen kommt. Der Serienkrimi, der seit 1996 auf SAT 1 läuft, ist das Subversivste, was das Fernsehen derzeit zu bieten hat. Nachrichten? Politische Magazine? Satire? Talkshow? Ziemlich vorhersehbar, recht ausgewogen, sehr brav. Vollständig egal. Die wahre Majestätsbeleidigung findet - inzwischen - wieder auf der Bühne statt. Ein angemessener Spiegel der Debatte in diesem Land.

Es muß davon ausgegangen werden, daß Edmund Stoiber die Serie nicht kennt. Die Vorstellung, daß der bayerische Ministerpräsident vor dem Fernseher sitzt und den Bullen von Tölz verfolgt, ist zwar beglückend, dürfte aber realitätsfern sein. Vermutlich ist es besser so. Früher wurde es einmal für ein Zeichen demokratischer Gleichbehandlung der Parteien gehalten, daß zwei Wochen vor Wahlen keine satirischen Sendungen mehr ausgestrahlt werden durften. Wenn Stoiber oder sein Medienberater irgendwann einmal den Bullen von Tölz zu Gesicht bekommen, dann werden sie auch Krimis verbieten wollen. Aus ihrer Sicht hätten sie dazu allen Grund.

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